»Bei Kleist fallen die Männer in Ohnmacht.«
Ein Nachruf auf Hans Neuenfels

Hans Neuenfels
* 31. Mai 1941 in Krefeld
✝ 6. Februar 2022 in Berlin
© Monika Rittershaus
* 31. Mai 1941 in Krefeld
✝ 6. Februar 2022 in Berlin
© Monika Rittershaus
Das Ensemble der Komischen Oper Berlin trauert um Hans Neuenfels, der mit seinen Arbeiten das Profil des Hauses im wiedervereinten Berlin entscheidend mitgeprägt hat.
Sein Debüt in der Behrenstraße gab Neuenfels im Jahre 2004 mit einer Inszenierung von Dmitri Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk und wurde dafür von der Kritik als »Regisseur des Jahres« ausgezeichnet. Im Mozart-Jahr 2006 sorgte er mit seiner Deutung von Wolfgang Amadeus Mozarts Die Zauberflöte für eine weitläufige Debatte über die Oper, das Stück und die Inszenierung. Ebenfalls in der Spielzeit 2006/07 wurde in Koproduktion mit der RuhrTriennale die Oper für Klavier Schubert, Schumann und der Schnee in der Arena Berlin aufgeführt. Mit seiner Inszenierung von La Traviata setzte Neuenfels dann im Jahr 2008 seine Jahrzehnte währende Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk Giuseppe Verdis fort. In der darauffolgenden Spielzeit erarbeite er mit Aribert Reimanns Lear die zweite Inszenierung dieses Werkes.
Sein Debüt in der Behrenstraße gab Neuenfels im Jahre 2004 mit einer Inszenierung von Dmitri Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk und wurde dafür von der Kritik als »Regisseur des Jahres« ausgezeichnet. Im Mozart-Jahr 2006 sorgte er mit seiner Deutung von Wolfgang Amadeus Mozarts Die Zauberflöte für eine weitläufige Debatte über die Oper, das Stück und die Inszenierung. Ebenfalls in der Spielzeit 2006/07 wurde in Koproduktion mit der RuhrTriennale die Oper für Klavier Schubert, Schumann und der Schnee in der Arena Berlin aufgeführt. Mit seiner Inszenierung von La Traviata setzte Neuenfels dann im Jahr 2008 seine Jahrzehnte währende Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk Giuseppe Verdis fort. In der darauffolgenden Spielzeit erarbeite er mit Aribert Reimanns Lear die zweite Inszenierung dieses Werkes.
»Bei Kleist fallen die Männer in Ohnmacht.«Hans Neuenfels
Mit Hans Neuenfels war es nie langweilig. Jede seiner Arbeiten war zugleich Einladung und Herausforderung für Sängerinnen und Sänger, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters, für den Regisseur selbst und vor allem für das Publikum. Neuenfels liebte die Provokation, dafür wurde er herzlich befeindet und frenetisch bejubelt. Auf seinem Weg vom Enfant terrible des Theaters zum Grand Seigneur der Oper ermutigte er beständig Diskussionen über Sinn und Zweck der Darstellenden Künste, der Kunst überhaupt und beider Bedeutung für unsere Gegenwart. Seine Inszenierungen kreisten stets um die großen Fragen der schwachen Menschen – nämlich wie überhaupt das Leben zu leben sei, angesichts der Gewalt der Liebe, der Autoritäten, der Menschen, ihrer Geschichte und Geschichten.
Inspiriert vom künstlerischen Surrealismus und der psychoanalytischen Schule untersuchte Neuenfels mit jeder seiner Operninszenierungen die Werke auf ihre tieferen Bedeutungsschichten und ihre Relevanz, die zeitgenössische Kraft ihrer Themen und Konflikte. Neuenfels präsentierte Panoramen menschlicher Innenwelten und legte – unter Aufbietung breiten kultur- und philosophiegeschichtlichen Wissens – in zahllosen Metaphern, Allegorien und Symbolen dar, wie diese Welten geformt werden von Begierden, Leidenschaften und Schrecknissen, wie sie Exzess und Kälte überdauern, wie sie durchzogen sind von Brüchen und Abgründen, wie sie überwuchert werden von Süchten und Sehnsucht. Der skeptische Romantiker Neuenfels war immer auf der Suche nach dem gebrochenen utopischen Moment – in der Heiterkeit, in der Versöhnung, in der Erfahrung des Heiligen (nicht nur der Musik), in der Freude, in der Kunst als Zufluchtsort und gemeinsamer Wirklichkeit und auf der Suche nach Überwältigung.
Inspiriert vom künstlerischen Surrealismus und der psychoanalytischen Schule untersuchte Neuenfels mit jeder seiner Operninszenierungen die Werke auf ihre tieferen Bedeutungsschichten und ihre Relevanz, die zeitgenössische Kraft ihrer Themen und Konflikte. Neuenfels präsentierte Panoramen menschlicher Innenwelten und legte – unter Aufbietung breiten kultur- und philosophiegeschichtlichen Wissens – in zahllosen Metaphern, Allegorien und Symbolen dar, wie diese Welten geformt werden von Begierden, Leidenschaften und Schrecknissen, wie sie Exzess und Kälte überdauern, wie sie durchzogen sind von Brüchen und Abgründen, wie sie überwuchert werden von Süchten und Sehnsucht. Der skeptische Romantiker Neuenfels war immer auf der Suche nach dem gebrochenen utopischen Moment – in der Heiterkeit, in der Versöhnung, in der Erfahrung des Heiligen (nicht nur der Musik), in der Freude, in der Kunst als Zufluchtsort und gemeinsamer Wirklichkeit und auf der Suche nach Überwältigung.

Hans Neuensfels
Komischen Oper Berlin, 2008
© Monika Rittershaus
Komischen Oper Berlin, 2008
© Monika Rittershaus
Seine exzentrische Geste hat Ensemble und Publikum herausgefordert und stets unterhalten. In der Premiere seiner Inszenierung von Die Zauberflöte saß im ersten Rang der Komischen Oper ein kleines Kind, das beim Anblick der Neuenfels’schen Variante der Zauberflöte als Riesenphallus in herzliches Kichern geriet – und so bald nicht aufhörte zu kichern. Hans Neuenfels’ Humor, seine bissige Liebenswürdigkeit, sein Charme, sein humanistisches Ethos und sein analytisches Denken werden uns fehlen.
Wir trauern um einen Theatermenschen, der mit seinen Inszenierungen an der Komischen Oper Berlin dem Musiktheater am Beginn des 21. Jahrhunderts eine gewaltige Inspiration gewesen ist. Unser Beileid und Mitgefühl gilt Hans Neuenfels’ Familie, seinen Freunden und engen Kolleginnen und Kollegen.
Barrie Kosky
Intendant und Chefregisseur
Susanne Moser
Geschäftsführende Direktorin
Wir trauern um einen Theatermenschen, der mit seinen Inszenierungen an der Komischen Oper Berlin dem Musiktheater am Beginn des 21. Jahrhunderts eine gewaltige Inspiration gewesen ist. Unser Beileid und Mitgefühl gilt Hans Neuenfels’ Familie, seinen Freunden und engen Kolleginnen und Kollegen.
Barrie Kosky
Intendant und Chefregisseur
Susanne Moser
Geschäftsführende Direktorin