Ein bisschen Hollywood am Broadway

Ein Interview mit Koen Schoots über Jerry Hermans Komposition, die Leichtigkeit und die Schwierigkeit des Musical-Genres.
Koen, du hast bereits zahlreiche Musicals musikalisch begleitet und warst bei der Entstehung einiger Musicals mit am Werk. Wenn du nun Jerry Hermans Musikstil beschreiben müsstest …

Koen Schoots Also kurz gefasst könnte man sagen: La Cage aux Folles, das nach Jesus Christ Superstar, Godspell und Hair entstand, nachdem also Pop und Rock auch am Broadway eingezogen sind, ignoriert diese Entwicklung komplett. Das Stück hätte genauso gut in den Fünfzigerjahren geschrieben sein können. Herman verweigert sich jeglicher Modernität der Musik der Achtzigerjahre. Da gab’s ja schon fast New Wave und es gab den ersten Rap und und und. Weitestgehend hat Jerry Herman zu seinen Kompositionen gesagt »Das ist Broadway« beziehungsweise, »ein bisschen Hollywood so wie man’s kennt«. Also der Glitzer und der Glamour des Broadway, der natürlich auch zur Thematik hervorragend passt.

Die Leichtigkeit von Jerry Hermans Melodien geht ins Ohr. Neben »I am what I am« als dem großen Hit des Stücks gibt es auch viele weitere Songs in La Cage aux Folles, die das Potential zu Lieblingsliedern haben …

Koen Schoots Also, meine Lieblingsnummer ist eigentlich der »Song am Strand«, den find ich einfach toll. Er hat diesen französischen Charme, bei dem man sich sofort an die Côte d’Azur versetzt fühlt. Eine schöne, eine fließende Melodie, die wirklich ins Herz geht.

In der Auseinandersetzung mit dem Stoff habt ihr kaum etwas am Stück verändert, auch musikalisch seid ihr nah am Original geblieben …

Koen Schoots Ich denke, wenn man mit Respekt an die Arbeit geht, die die Autoren vorgelegt haben, ohne die Haltung »Wir machen das alles sowieso besser!«, dann entdeckt man, dass die Stücke in sich schon sehr gut gebaut sind. Wir spielen fast alle musikalischen Nummern der Originalpartitur. Jenseits einiger kleinerer Sprünge in den Tanznummern haben wir zum Beispiel die große »La Cage aux Folles«-Nummer im ersten Akt mit dem Can Can in voller Länge – neun Minuten Tanz.
Szene aus La Cage aux Folles
Die Komische Oper Berlin ist ein Haus mit einem großen, geübten Orchester. Trotzdem stellt Musical eine andere Art von Herausforderung dar als beispielsweise Oper …

Koen Schoots Das ist große Filmmusik, Broadwaymusik, Hollywoodmusik. Die größte Herausforderung für das Orchester ist dabei, dass es schlicht wahnsinnig viele Noten zu spielen gibt. Ein besonderes Merkmal der
Orchestrierungen ist, dass rund um die Hauptmelodie extrem viel passiert. Wenn die Blechbläser eine Melodie spielen, dann spielen die Geigen noch 84 Noten drumherum. Das ist nicht zu unterschätzen. Für Musicals benutzen wir zudem die amerikanischen Trompeten, die knalliger, schärfer im Klang sind und mehr zur Unterhaltungsmusik passen als die deutschen Trompeten, die etwas weicher und runder vom Klang sind. Die amerikanischen Trompeten haben eine andere Lippenspannung und sind auch dadurch etwas anstrengender zu spielen. Im Repertoirebetrieb heißt das, am einen Abend Die Zauberflöte und am nächsten Abend La Cage aux Folles zu spielen. Dann muss man die Trompete sozusagen tagtäglich wechseln und das ist nicht ganz so einfach!

Das Musical-Genre wird besonders in Deutschland leider immer noch in die Schiene der leichten und leicht zu machenden Unterhaltung gesteckt …

Koen Schoots Musical ist in vielerlei Hinsicht schwerer als manche Oper, und ich werde immer ein wenig wütend, wenn Leute sagen »Ach ja, die brauchen zum Singen ja ein Mikro«. Das Microport hat damit zu tun, dass man ein anderes Klangbild anstrebt, als z. B. bei einer Oper. Natürlich werden in Musicals auch Schauspieler besetzt, die gut singen können. Ich bevorzuge eine:n Sängerdarsteller:in, der/die einen Charakter glaubhaft darstellen kann. Wir haben sehr viel mit Stefan Kurt daran gearbeitet, genau die Farben zu finden, die für seinen Albin und seine Zaza am besten passen. Das besondere an Stefan ist sein Spiel, das er selbst mit seiner eigenen Stimme herstellt, mit seiner eigenen Persönlichkeit. Das finde ich spannender, als nur schöne Töne.

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Hier fliegen die Federn, das Lametta und die Beine! Die Komische Oper hat mit Barrie Koskys Inszenierung von »La Cage aux Folles« wieder einen Knaller im Spielplan ... Herrlich witzige Dialoge, kreischbunte Kostüme (Klaus Bruns), die Bühne (Rufus Didwiszus) reich an Penissen, ein Rausch der Sinne! Stefan Kurt spielt die Diva Zaza hinreißend beleidigt mit Säuseln, Schimpfen, Pöbeln. … Das Ensemble spielt unfassbar mitreißend, Jubel ohne Ende!
Liebesleid und Sinnesrausch im Narrenkäfig
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29. Januar 2023
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»La Cage Aux Folles« brightens up Berlin
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29. Januar 2023
Ein praller Abend für mehr Toleranz.
Paradiesvögel im Tollhaus
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28.01.2023
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