Zurück in die Zukunft mit Dub

Für nora chipaumire ist Dub Futurismus im Jetzt und ein Musikstil, der mit tiefen Frequenzen einen Raum für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper herausfordert. Im Gespräch erzählt sie, wie viel Wissenschaft in ihrer Performance shebeenDub steckt und welche Rolle das Echo dabei spielt.
Was ist für dich das Besondere an Dub-Musik?

nora chipaumire: Dub-Musik ist durch den transatlantischen Sklavenhandel entstanden. Sie ist ein Produkt des Kolonialismus und des Modernismus. Sie ist der Sound der Verweigerung eines Volkes, das von sich selbst losgelöst ist, sie ist eine Art und Weise, mit Klangreduktion und durch die Bassline zu kommunizieren, das uns mit Schlagwerk, mit Trommeln verbindet, denn so haben wir immer mit dem Unbekannten kommuniziert. Das bedeutet Dub für mich.

In welcher Beziehung zueinander stehen für dich in der Dub-Musik der Text, der Tanz und die Dub-Klänge, mit ihrem Echo, ihrem Reverb und ihrem starken Bass?

nora chipaumire: Die Frage kann am besten ein richtiger Sound Ingenieur beantworten, aber meiner Meinung nach ist es so: Ich bin zum Dub gelangt als jemand, der den Raum liebt, die Frequenz, in die der Körper sich da begeben kann. Das Echo ist für mich wie eine Wiederholung und ein endloser Schrei. Die Klänge, die Frequenzen, die Wiederholung … all das ist in gewisser Weise futuristisch. Ich meine, es ist eine Wissenschaft der Zukunft in der Gegenwart, die den Klang auf ein Gefühl dessen reduziert, wie die Zukunft in der Gegenwart sein könnte, und deshalb ist sie immer mit dem Körper verbunden. Ohne Körper fehlt einem etwas. Ohne Körper hat man nichts. Der Körper ist Klang. Der Klang ist Dub.

Sie träumen also von einer gemeinschaftlichen Erfahrung im Dub?

Der Sound soll Freude bereiten, begeistern, mitreißen und das Publikum auf eine Frequenz einzuschwören. Und das ist mein Ziel: diese eingeschworene 'Gemeinde' zu Gesten zu verführen. Manche Leute wollen das vielleicht Tanz nennen, aber ich finde das Wort dafür unpassen. Jedes Mal, wenn der Körper sein Gewicht verlagert, sich bewegt, ist es eine Geste, hervorgerufen durch die Frequenzen des Dub. Unsere Installation schafft mit den tiefen Frequenzen einen besonderen Raum, in dem Menschen atmen, denken und sich erfahren.
In shebeenDUB bringen Sie drei Künstler aus unterschiedlichen Tanzrichtungen zusammen, von Flamenco und der Kunst der Körperzeremonie als auch zeitgenössischem Tanz, bis hin zu Krump und Jazz, aber Sie laden auch das Publikum ein, Teil des Erlebnisses zu werden. Was denken Sie über die Einladung der Dub-Kultur, Menschen zusammenzubringen?

nora chipaumire: Da der Dub ein Produkt der Karibik und des Rasta-man und deren Slogan »One Love« ist, bringt er offensichtlich Menschen zusammen. Noch stärker steckt das im Begriff 'shebeen'. Er stammt aus der irischen Kultur und bezeichnet so etwas wie illegale Kneipen. Iren in der südafrikanischen Diaspora haben diese Kultur auf mitgebracht als Teil der Kolonisierung und sich in den Alttag Südafrikas einverleibt. Für mich sind 'shebeens' Orte, an denen sich Menschen treffen, um zu essen, zu trinken, zu feiern oder um sich zu verschwören. In unserer Installation vereint 'shebeen' die Einflüsse, Vereinnahmungen und Antworten, die mit Kolonialisierung einhergegangen sind und sich in urbanen Stadtlandschaften widerspiegeln. Das lassen wir in den Sound einfließen und mit ihm die Atmosphäre der Stadtkultur Harare aufleben. Mit shebeenDUB versuchen wir das Tempo von Harare einzufangen, die Spannungen und die Freuden, die ihren Alltag prägen.

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