Geschichte

Zuallererst: Warum »komisch«? Mit dem Namen »Komische Oper« knüpft Gründervater Walter Felsenstein an die Unmittelbarkeit und Volksnähe der französischen Opéra comique, aber auch an die im Krieg zerstörte Berliner Komische Oper in der Friedrichstraße an der Weidendammer Brücke an, deren Intendant Hans Gregor 1905–1911 von ähnlichen Ideen inspiriert war und eine »Kunst ohne Konvention, Vorurteile und Künstlereitelkeiten« forderte.

1764 - 1786
Singspiel und
Nathan der Weise

Im »Theater in der Behrenstraße«, einem Fachwerkbau mit 700 Plätzen, wird neben Schauspielen von Schiller, Goethe (1774 Uraufführung Götz von Berlichingen), Lessing (1783 Uraufführung Nathan der Weise) oder Shakespeare auch die neue Gattung des deutschen Singspiels, das unter dem Einfluss der französischen Opéra comique einen Gegenentwurf zur höfischen (italienischen) Oper darstellt, aufgeführt. Die Bezeichnung »comique« ist dabei allein dem Gegensatz zur tragischen Hofoper geschuldet. Eine Opéra comique ist, ebenso wie das Singspiel, nicht zwingend komisch, sondern in erster Linie volksnah.

1892 - 1898
Operetten und
Die verkaufte Braut

An der Stelle des alten, längst abgerissenen Theaters wird das von den renommierten Wiener Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer (die Theater u. a. in Prag, Budapest, Wien, Zürich und Hamburg entworfen haben) erbaute »Theater Unter den Linden« eröffnet, ein prunkvoller Vergnügungs-Palast im neobarocken Stil, mit Tischen in der hinteren Hälfte des Parketts, Logen in den Seiten der Ränge und einer Balkon-Terrasse in der Mitte des 1. Rangs. Gespielt werden vor allem Operetten, gelegentlich auch Opern wie Die verkaufte Braut oder Cavalleria rusticana/Der Bajazzo.

1898 - 1918
»Neuestes – Allerneuestes«

Nach Umbauarbeiten wird das Haus unter dem Namen Metropol-Theater wiedereröffnet. Berühmt werden die aufwendigen politisch-satirischen »Jahresrevuen«, »eines von den Ereignissen, die man in Berlin mitmachen muss«, wie es in einem Bericht aus jener Zeit heißt. »Automobile, Privat-Equipagen etc. drängen sich in fast unabsehbarer Reihe vor das Tor. Heraus steigt, was Berlin an Eleganz und Schönheit besitzt.« Star dieser Revuen ist neben dem Sänger und Komiker Josef Giampietro vor allem die aus Wien stammende Fritzi Massary.

1918 - 1933
Kálmán, Lehár und Abraham

Nach dem 1. Weltkrieg wird das Metropol-Theater zu einem der wichtigsten Operettenhäuser in Deutschland. Gespielt werden Werke der führenden Operettenkomponisten dieser Jahre wie Lehárs Die lustige Witwe und Das Land des Lächelns (Uraufführung 1929), Oscar Straus' Marietta und Eine Frau, die weiß, was sie will (Uraufführung 1932), Emmerich Kálmáns Die Csárdásfürstinoder Paul Abrahams Victoria und ihr Husar und Die Blume von Hawai. Auf der Bühne stehen neben Fritzi Massary Stars wie Käthe Dorsch, Gitta Alpár, Adele Sandrock, Richard Tauber, Leo Slezak oder Max Hansen.

1933 – 1944
»Kraft durch Freude«

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten müssen viele jüdische Künstler:innen (wie Fritzi Massary, Richard Tauber oder Gitta Alpár) Deutschland verlassen. Die meisten neueren Operetten dürfen nicht mehr aufgeführt werden, weil sie aus der Feder jüdischer Komponisten (wie Kálmán oder Abraham) stammen. Das Metropol-Theater wird dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt. 1944 werden alle Theater in Deutschland, auch das Metropol-Theater, geschlossen.

1947 – 2012
Kunst ohne Konvention, Vorurteile und Künstlereitelkeiten

Nach dem Wiederaufbau des 1945 zerstörten Theaters wird mit der Aufführung von Johann Strauss’ Die Fledermaus unter dem aus Österreich stammenden Intendanten und Chefregisseur Walter Felsenstein das Haus als Komische Oper wiedereröffnet. Sein Ansatz hat in den folgenden Jahren großen Einfluss auf die Auseinandersetzung mit dem Musiktheater und findet Nachahmer in ganz Europa. Das 1966 gegründete (bis 2004 existierende) Tanztheater hat unter seinem Chefchoreographen Tom Schilling Ausstrahlungskraft weit über Berlins Grenzen hinaus. Felsensteins Nachfolger als Intendanten der Komischen Oper – Joachim Herz, Werner Rackwitz/Harry Kupfer, Albert Kost/Harry Kupfer, Andreas Homoki – bleiben Felsensteins Idee eines zeitgemäßen, publikumsnahen Musiktheaters verbunden.

2012 - 2022
»Sinn und Sinnlichkeit«

Barrie Kosky knüpft in seiner Intendanz an die Tradition der Vorgänger an, besinnt sich aber auch auf die Geschichte des Hauses an der Behrenstraße vor 1933. Verdrängtes und Vergessenes steht wieder auf dem Spielplan, selten oder nie Gehörtes gerade der Komponisten, die unter den Nationalsozialisten von der Bildfläche verschwanden und häufig bis heute zu Unrecht verkannt sind. Die Berliner Jazz-Operette beweist unter Kosky ihren geistreichen Witz, vom 50er-Jahre-Kitsch befreit zeigt sich manches Stück in ganz neuem Licht. Die Komische Oper Berlin ist legitime Erbin des Metropol-Theaters.

2013 wird das Haus (zum zweiten Mal nach 2007) von der Fachzeitschrift »Opernwelt« zum Opernhaus des Jahres gewählt. 2015 werden die Chorsolisten »Opernchor des Jahres«, 2016 wird Barrie Kosky »Regisseur des Jahres«. Das Ensemble der Komischen Oper Berlin gewinnt 2015 den International Opera Award.

Seit 2022
»Raus in die Stadt«

Die Komische Oper Berlin wird fit gemacht für das Musiktheater des neue Jahrtausends. Die kommenden Jahre stehen ganz im Zeichen umfassender (und notwendiger) Sanierungsarbeiten des Stammhauses an der Behrenstraße. On der Zeit des Umbaus wird nicht nur in der Interimsspielstätte Schillertheater, sondern auch an diversen temporären Orten der Stadt Oper gespielt - und das schon ab 2022. Den Anfang macht das neu gegründete Festival für brandneues Musiktheater Schall&Rausch, das in der Kindl-Brauerei und dem SchwuZ in Neukölln alljährlich seine Zelte aufschlägt. Mit Susanne Moser und Philip Bröking stehen erstmals zwei Intendat:innen an der Spitze des Komischen Oper Berlin. Die Komische Oper Berlin steht unter ihrer Intendanz für vielfältiges, mutiges und lebendiges Musiktheater mit Ernst und Leichtigkeit.

Stolpersteine

Auf Initiative des Intendanten und Chefregisseurs der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky, und des Förderkreises der Komischen Oper Berlin e. V. wurden am 30. Januar 2015 im Vorfeld der Premiere von Eine Frau, die weiß, was sie will! von Oscar Straus durch den Künstler Gunter Demnig drei Stolpersteine vor dem Haupteingang des Opernhauses verlegt.

Mit diesen drei Stolpersteinen möchte die Komische Oper Berlin – stellvertretend für so viele andere vertriebene und ermorderte Mitarbeiter des damaligen Metropol-Theaters – an drei Menschen erinnern, die in ganz unterschiedlichen Bereichen im Haus an der Behrenstraße gewirkt haben.

Selbstverständnis

Seit ihrer Gründung steht die Komische Oper Berlin für zeitgemäßes, lebendiges Musiktheater und hat sich zu einem der profiliertesten Opernhäuser im deutschsprachigen Raum entwickelt. »Profiliert« aber nicht im Sinne von repräsentativer Routine, sondern als markante, scharf umrissene Ausrichtung. Wir sind der Ansicht: Im Musiktheater geht es vor allem um eines - Menschen zu bewegen. Wir präsentieren neue Sichtweisen, nicht nur auf die Stücke, sondern auch auf die Form selbst.

Programmatik

Die Tradition des »realistischen Musiktheaters«, mit dem Walter Felsenstein an der Behrenstraße eine der wohl folgenreichsten Entwicklungen der Operngeschichte des 20. Jahrhunderts geprägt hat, bedeutet für uns keine Reduzierung auf einen Einheitsstil. Im Gegenteil äußert sie sich in der großen Vielfalt und Spannbreite der bei uns arbeitenden Regisseure.

Stiftung Oper in Berlin

Am 1. Januar 2004 wurde die Stiftung Oper in Berlin mit den fünf eigenständigen Betrieben Deutsche Oper Berlin, Komische Oper Berlin, Staatsoper Unter den Linden, Staatsballett Berlin und dem Bühnenservice gegründet. Für die fünf Betriebe bedeutet die Gründung der Stiftung Sicherheit über Jahre hinaus. Sie eröffnet die Chance, sich nach Jahren manchmal lähmender Diskussionen auf der Grundlage klarer finanzieller Absprachen wieder vollständig auf die künstlerische Arbeit zu konzentrieren. Den einzelnen Unternehmen gibt die Stiftung mehr Eigenständigkeit. Die drei Opern bleiben autonome Häuser mit eigenständigen künstlerischen Leitern und eigenen Etats. Dasselbe gilt für das Staatsballett. Und auch der Bühnenservice, in dem die Dekorationswerkstätten und die Kostümwerkstätten zusammengelegt sind, arbeitet auf eigene Rechnung. Im Stiftungsdach sind eine zentrale Finanzbuchhaltung und ein bühnenübergreifender Personalservice angesiedelt.