Solist - Bariton
Günter Papendell
Er lässt ihn einfach nicht los! Ähnlich wie der Komtur in Wolfgang Amadeus Mozarts Don Giovanni den titelgebenden Held immer wieder heimsucht, so scheinen es bei Günter Papendell das Stück und Giovanni selbst zu sein, die sich an seine Fersen geheftet haben. Es ist diese herausragende Partie in Papendells Repertoire, die sich durch die gesamte Karriere des Baritons zieht und immer wieder wichtige Wendepunkte auf seinem Weg markiert – angefangen mit seiner Debüt-Giovanni-Produktion an der Opernschule der Hochschule für Musik in München. Doch der Reihe nach! Singen gehört schon in Kindertagen zum Alltag im Hause Papendell, wo der Vater bereits als Sänger im Opernchor des Theaters Augsburg arbeitet. Und so verschlägt es auch Papendell Junior zur Musik – genauer gesagt zu den renommierten Augsburger Domsingknaben.
Mit Mozart, geschweige denn Oper, kann Günter Papendell zu diesem Zeitpunkt wenig anfangen. Die drängende Kraft von Joseph Haydns Kirchenmusik scheint ihm das Non-Plus-Ultra im Knabenchor-Alltag. Erst sein Gesangslehrer Tobias Meisberger ist es, der Günter Papendells Stimme in neue Bahnen lenkt – weg vom feinziselierten Knabenchorklang, hin zu einem kraftvoll warmen Bariton für die große Bühne. Es folgt ein Gesangsstudium an den Musikhochschulen Köln und München, wo Günter Papendell auf der Bühne des legendären Prinzregententheaters seine ersten größeren Bühnenerfahrungen sammelt. Doch eine obskure Uraufführung und eine »furchtbare« bayrische Version von Richard Heubergers Operette Der Opernball lassen Papendell grundlegend zweifeln, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist: »Ich war mir sicher, dass mit diesen beiden Produktionen meine Bühnenkarriere wieder zu Ende war!« Eine Inszenierung von Don Giovanni unter der Leitung der Grazer Regie-Dozenten-Legende Christian Pöppelreiter wird für Papendell – zu diesem Zeitpunkt noch in der Partie des Leporello – zum Wendepunkt. Die Inszenierung auf einer weißen Spielfläche mitten im Publikum, nahezu ohne Requisiten und ganz fokussiert auf die Sänger*innen versöhnt ihn nicht nur mit dem Beruf des Opernsängers, sondern entfacht auch seine große Liebe zu Mozart: »Für mich war klar, ich wollte nichts anderes mehr singen und hören als Mozart!« Auch die Süddeutsche Zeitung rät damals vehement zum Besuch des mitreißenden Spiels der jungen Sänger*innen im Prinzregententheater anstatt zur parallel laufenden Giovanni-Inszenierung der Bayerischen Staatsoper. Mit dem ARD-Musikwettbewerb-Preis in der Tasche folgt nach dem Studium sein erstes Festengagement am Musiktheater im Revier unter der Intendanz von Peter Theiler, wo Papendell dann auch endlich die Titelpartie des ewigen Verführers singen darf. In den drei Jahren im Gelsenkirchener Ensemble und danach als Gast kostet Günter Papendell das Leben an einem Repertoire-Theater in vollen Zügen aus: Von zeitgenössischer Oper bis Barock, von Escamillo in Carmen über mehr Mozart bis zu Germont (La traviata) und Posa (Don Carlo) ist für ihn u. a. in Inszenierungen von Immo Karaman so ziemlich alles dabei. 2007 folgt der Ruf ins Ensemble der Komischen Oper Berlin, wo sich mit der Wiederaufnahme von Peter Konwitschnys Inszenierung eine weitere Don Giovanni-Produktion in Papendells Leben fräst. Denn obwohl man als Sänger auf der Bühne meist eine professionelle, emotionale Distanz zum Geschehen behält, so wird diese Inszenierung für Günter Papendell eine bleibende Erinnerung: »In einem Moment der Aufführung werden Leporello und Donna Elvira in die Bühnenversenkung gefahren und sprechen ihren eigentlich gesungenen Text, während das Cembalo dies auf der Bühne musikalisch begleitet. Das war für mich einer dieser magischen Momente, in denen es sich anfühlt, als ob die Bühne wie ein Ufo langsam ins Schweben gerät. Danach das Ständchen singen zu dürfen, war eine Riesenfreude. Wahrscheinlich hab ich es nie wieder so gut gesungen wie in diesem Moment!« Dabei hatte Günter Papendell vor seinem Wechsel an die Behrenstraße noch mit den zur damaligen Zeit durchweg auf Deutsch gesungenen Partien gehadert – doch einmal in Berlin angekommen, wird alles anders. Durch die Arbeiten mit Regisseuren wie Barrie Kosky, Sebastian Baumgarten und Nicolas Stemann, von dessen La Périchole er heute noch schwärmt, prägt der jungenhaft wirkende Sänger das Profil der Komischen Oper Berlin seit nunmehr fast einem Jahrzehnt mit: von seiner tiefemotionalen Darstellung des Onegin über den facettenreichen Platon Kusmitsch Kowaljow in Die Nase bis hin – wie soll es anders sein – zum absurd-clownesquen Don Giovanni in Herbert Fritschs fulminanter Inszenierung, Fritsch, ursprünglich selbst Schauspieler im Ensemble von Frank Castorf, bringt bei seiner Arbeit an Mozarts Oper mit seiner körperlich extrem anspruchsvollen Spielweise das gesamte Sänger*innen-Ensemble ins Schwitzen, in Günter Papendell aber findet er einen Bruder im Geiste, der den an die Grenzen gehenden Anforderungen gerne noch eins drauf setzt: »Keine Vorstellung ist wie die andere, diese Produktion entwickelt sich Abend für Abend weiter und ich bin mir sicher, dass mir noch viele Blödeleien in dieser Rolle einfallen werden!«
Im Ensemble der Komischen Oper
Berlin seit 2007. 2022 zum Berliner
Kammersänger ernannt.
HEIMAT
Geboren in Krefeld, aufgewachsen in Augsburg, jetzt in Berlin zu Hause
STUDIUM
Hochschule für Musik und Tanz Köln
Hochschule für Musik und Theater München (u. a. Daphne Evangelatos, Helmut Deutsch)
Berlin seit 2007. 2022 zum Berliner
Kammersänger ernannt.
HEIMAT
Geboren in Krefeld, aufgewachsen in Augsburg, jetzt in Berlin zu Hause
STUDIUM
Hochschule für Musik und Tanz Köln
Hochschule für Musik und Theater München (u. a. Daphne Evangelatos, Helmut Deutsch)
PREISE
ARD-Musik-Wettbewerb
Willi-Domgraff-Fassbaender-Wettbewerb
Internationaler Hans-Gabor-Belvedere-Gesangswettbewerb
MEISTERKURSE BEI
Rudolf Piernay
Malcolm Martineau
u. a.
WICHTIGE DIRIGENTEN
Marcello Viotti
Vladimir Jurowski
Peter Rundel
Simon Rattle
Stefan Soltesz
Konred Junghänel
Christian Curnyn
WICHTIGE REGISSEURE
Sebastian Baumgarten,
Andreas Homoki
Immo Karaman
Nicolas Stemann
Christian Pöppelreiter
Calixto Bieito
Barrie Kosky
Herbert Fritsch
Kirill Serebrennikov
VORHERIGES ENGAGEMENT
Musiktheater im Revier Gelsenkirchen
WICHTIGE PARTIEN AN DER KOMISCHEN OPER BERLIN
Doktor Malatesta (Don Pasquale)
Graf Almaviva (Die Hochzeit des Figaro)
Fritz Kothner (Die Meistersinger von Nürnberg)
Fürst Jeletzki (Pique Dame)
Sharpless (Madame Butterfly)
Ottokar (Der Freischütz)
Titelpartien in Don Giovanni, Odysseus und Jewgeni Onegin
Achilla (Giulio Cesare in Egitto)
Pollux (Castor et Pollux)
Platon Kusmitsch Kowaljow (Die Nase)
Golaud (Pelléas et Mélisande)
Figaro (Il barbiere di Siviglia)
Frank/Fritz (Die tote Stadt)
Leander (Die Liebe zu drei Orangen)
Marcello (La Bohème)
Pentheus (The Bassarids)
Giorgio Germont (La traviata)
Ford (Falstaff)
WICHTIGE PARTIEN ANDERSWO
Figaro (Die Hochzeit des Figaro)
Germont (La traviata)
Titelpartien in Don Giovanni und Guillaume Tell
Escamillo (Carmen)
Guglielmo (Così fan tutte)
Zurga (Les Pêcheurs des perles)
Octave (Avatar)
Förster (Das schlaue Füchslein)
Pelléas (Pelléas et Melisande)
Wiedehopf (Die Vögel)
AUSFLÜGE
Bayerische Staatsoper
Staatstheater am Gärtnerplatz
Nationaltheater Mannheim
Nationaltheater Weimar
Aalto-Musiktheater Essen
Theater Dortmund
Theater Bonn
Staatstheater Nürnberg
Theater Bremen
Semperoper Dresden
u. a.
Nächste Termine und Besetzung
Magazin
22. November 2024
Offener Brief von Barrie Kosky
»Bitte schützen Sie unsere geliebte Komische Oper in der Behrenstraße!«, schreibt unser früherer Intendant Barrie Kosky in seinem offenen Brief an Bürgermeister Kai Wegner, Finanzsenator Stefan Evers und Kultursenator Joe Chialo. »Lassen Sie nicht zu, dass das Ihr Vermächtnis ist.«
Den kompletten Brief können Sie exklusiv beim Tagesspiegel lesen.
Den kompletten Brief können Sie exklusiv beim Tagesspiegel lesen.
#dasistnichtkomisch
#keinBaustoppinBerlinMitte
#KOBSanierung
19. November 2024
Doppelte Katastrophe für die Komische Oper Berlin
Sparmaßnahmen der Berliner Landesregierung
»Trotz aller guten Argumente, die wir in den letzten Wochen und Monaten ausgetauscht haben, muss die Kultur insgesamt und die Komische Oper Berlin insbesondere überproportional massive Einsparungen hinnehmen. Und zwar nicht nur die Kürzungen von 9 % im laufenden Betrieb für 2025: Dazu kommt der Baustopp für die Sanierungsmaßnahmen unseres Stammhauses in der Behrenstraße.«, sagen Susanne Moser und Philip Bröking, die Ko-Intendanz der Komischen Oper Berlin. »Ein Baustopp von zwei Jahren führt zu einer Verzögerung der Fertigstellung um mindestens vier Jahre! 10 Millionen Euro werden gespart, es werden Mehrkosten von etwa 250 Millionen Euro verursacht. Das ist ein Skandal!«.
#dasistnichtkomisch
#keinBaustoppinBerlinMitte
#KOBSanierung
25. November 2024
Einfach schöne Musik
Ein Gespräch mit Herbert Fritsch über die Leichtigkeit Neuer Musik, die Schönheit chaotischer Rhythmen und mitreißende Spielfreude
#KOBSiKo
21. November 2024
Ekelhaft, Gruselig, Lustig!
Stephen Sondheims Musical Sweeney Todd ist das »perfekte Ineinandergreifen von Text und Musik, … in seiner orchestralen Pracht eindeutig das wirkungsvollste«, sagt James Gaffigan. Im Interview spricht Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin über die musikalischen Einflüsse von Jazz, Bossa Nova bis Mozart und Mahler, Wagnerische Leitmotive und das Ertragen einer in der Tat ekelhaften Geschichte.
#KOBSweeneyTodd
Interview
19. November 2024
Mord ist sein Hobby
Makabrer Kannibalismus, grausame Vergewaltigungen und jede Menge Blut – all das assoziieren wohl die allerwenigsten mit einem kommerziellen Broadway-Musical. Und doch sind es genau diese Aspekte, welche Stephen Sondheims Musical-Thriller Sweeney Todd so faszinierend machen. Ganz ohne Irritationen ging das Erfolgsstück anfangs freilich nicht über die Bühne. Denn trotz acht Tony Awards und einem Broadwaylauf von 557 Aufführungen in seiner Premierensaison, stellte die Neuartigkeit des Werkes das Publikum vor Rätsel: Ist das jetzt ein Musical? Eine Oper? Ein Melodram? Eine Tragödie? Eine Komödie? Nicht nur mit zahllosen Morden konfrontiert uns das Werk, die Berge an Leichen werden auch noch zu Fleischpasteten verarbeitet und einer nichts ahnenden Kundschaft zum Essen serviert. Serienmorde und Kannibalismus – darf man über so etwas denn überhaupt lachen? Eine Einführung von Daniel Andrés Eberhard.
#KOBSweeneyTodd
Einführung
12. November 2024
Rules of Tragedy
Eigentlich spielt das Musical Sweeney Todd in einem viktorianischen London des 19. Jahrhunderts. Doch in Barrie Koskys Inszenierung präsentiert die Bühne sie als modernere Metropole, inspiriert vom Berlin der 1920er und 1930er Jahre und der Ära Margaret Thatchers. So mutiert dieses »Labyrinth der Hoffnungslosigkeit« auf der Bühne noch stärker zum Kampfplatz privilegierter Oberschicht und dem Milieu der Arbeiterklasse. Aus der Geschichte eines Rachefeldzugs wächst mit dem Musical »Sweeney Todd« an der Komischen Oper Berlin ein düster-komisches Panorama, das seinen Fokus auf das albtraumhafte Leben der Mittellosen in heutigen Großstädten setzt. Im Interview erzählt Regisseur Barrie Kosky, wie zwei fast sympathische Soziopathen –angetrieben von Leid und Rache – die feinsten Pasteten in einem solchen Moloch auftischen, wie viel Shakespeareanleihen in dem Musicalklassiker steckt, und wie überzeugend Horror und Komödie miteinander harmonieren können.
#KOBSweeneyTodd
Interview