© Frol Podlesnyi
Tod und Lebemann
Über hitziges Frieselfieber, karmische Illusionen und ewige Ruhe – Eine Einführung zu Don Giovanni/Requiem
von Sophie Jira
von Sophie Jira
Schwarz eingefasst hat Mozart sein Porträt des Don Giovanni. Die unheilvoll pochenden d-Moll-Akkorde, mit denen die Ouvertüre einsetzt, lassen keinen Zweifel daran: Der Wüstling wird seine Strafe bekommen. Der düstere Einstieg soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei Il dissoluto punito ossia il Don Giovanni (»Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni«) um eine komische Oper handelt. Als »Opera buffa« führte Mozart 1787 sein Spiel vom Sterben des Lebemanns im eigenhändigen Werkverzeichnis an.
Lorenzo Da Ponte hatte ihm eine Komödienhandlung zwischen zwei Toden geliefert. Ein »Dramma giocoso« über zwei Männer, die einander töten – mit einer übernatürlichen Besonderheit: Sie tun es nicht gleichzeitig. Der Ermordete ermordet seinen Mörder. Zwischen dem gewaltsamen Tod des Commendatore im Zweikampf mit Don Giovanni und dessen Fahrt zur Hölle tänzelt eine Komödie auf Messers Schneide. Es wird gelacht und gelitten, geliebt und gerächt, begehrt und betrogen, bis der Lebemann seinem Tod begegnet. Wenn schließlich der Commendatore in Gestalt seiner eigenen Grabstatue zum letzten Abendmahl Don Giovannis erscheint, so kehren mit ihm auch die archaischen d-Moll-Klänge vom Beginn der Oper wieder, um ihr Versprechen einzulösen. Den letzten Beweis dafür, dass d-Moll die unausweichliche Tonart des Verderbens, Sterbens und des Todes ist, lieferte im Jahr 1791 Mozarts Requiem: Es sollte sein letztes Werk und Mozarts eigene, unvollendete Totenmesse werden.
Lorenzo Da Ponte hatte ihm eine Komödienhandlung zwischen zwei Toden geliefert. Ein »Dramma giocoso« über zwei Männer, die einander töten – mit einer übernatürlichen Besonderheit: Sie tun es nicht gleichzeitig. Der Ermordete ermordet seinen Mörder. Zwischen dem gewaltsamen Tod des Commendatore im Zweikampf mit Don Giovanni und dessen Fahrt zur Hölle tänzelt eine Komödie auf Messers Schneide. Es wird gelacht und gelitten, geliebt und gerächt, begehrt und betrogen, bis der Lebemann seinem Tod begegnet. Wenn schließlich der Commendatore in Gestalt seiner eigenen Grabstatue zum letzten Abendmahl Don Giovannis erscheint, so kehren mit ihm auch die archaischen d-Moll-Klänge vom Beginn der Oper wieder, um ihr Versprechen einzulösen. Den letzten Beweis dafür, dass d-Moll die unausweichliche Tonart des Verderbens, Sterbens und des Todes ist, lieferte im Jahr 1791 Mozarts Requiem: Es sollte sein letztes Werk und Mozarts eigene, unvollendete Totenmesse werden.
Don Giovanni/Requiem
Dramma giocoso in zwei Akten [1787]
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Requiem KV 626 [1791]
Introitus, Kyrie, Sequenz
Premiere am 27. April 2025
Bereits 1834 ließ man an der Pariser Oper auf die »Höllenfahrt« Don Giovannis Teile aus Mozarts Requiem folgen. Die ursprüngliche »scena ultima« der Oper, die unmittelbar an den Tod des Titelhelden anschließt, dürfte im gesamten 19. Jahrhundert kaum jemandem zu Gehör gekommen sein. Seit der Wiener Erstaufführung des Don Giovanni 1788 hatte sich die Traditionetabliert, das moralisierende Schlusssextett zu streichen und stattdessen mit dem Bühnenspektakel der »Höllenfahrt« zu enden. Belehrend, schadenfroh und durchaus scheinheilig verkünden die sechs Hinterbliebenen in der »scena ultima« die Schlussmoral: »So endet der, der Böses tut!«. Doch wofür genau wird der Wüstling eigentlich bestraft?

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Don Giovannis Diener und Buchhalter Leporello führt eine Liste von 2065 erfolgreichen Liebesabenteuern seines Herrn in fünf verschiedenen Ländern – Italien, Frankreich, Spanien, der Türkei und Deutschland – was wohl für Don Giovannis Verführungs- und auch Sprachkünste (oder umso größere Verführungskünste) spricht. Der Existenzialist Albert Camus sieht in der Figur des Don Juan ein Beispiel für den »absurden Menschen«, der eine »Ethik der Quantität« verwirklicht, nicht an den tieferen Sinn der Dinge glaubt und den Überdruss erzwingt. Einen 2066. Eintrag ins Register wird es allerdings nicht geben. Denn Da Pontes »Dramma« ist vor allem deshalb so »giocoso«, weil es nur jenen Ausschnitt aus dem Leben des großen Verführers zeigt, in dem alles schiefgeht. Wir werden Zeugen von drei als gescheitert verbuchten Versuchen Don Giovannis auf seinen letzten Metern vor dem Tod. Wie skrupellos Don Giovanni dabei wirklich vorgeht, lassen Mozart und Da Ponte geschickt im Dunkeln und laden das Publikum dazu ein, im Verhalten der handelnden Personen Antworten zu finden. Dass Donna Anna einen sexuellen Übergriff schildert und auch Leporello seinem Herrn vorwirft, der Tochter des Commendatore Gewalt angetan zu haben (»forzar la figlia«), beeindruckt Don-Giovanni-Versteher nicht. »Eine Vergewaltigung widerspräche völlig Giovannis Wesen und Prinzipien«, schätzt ihn Walter Felsenstein 1966 ein. »Sein Begehren entspringt der unendlichen Sehnsucht seiner Sinne, es idealisiert das jeweilige Opfer und verwandelt es in den geforderten Zustand.« Ob als Erotomane, Abenteurer oder absurder Mensch, Don Giovannis radikaler Lebensentwurf hat nur eine Grundbedingung: Keine Angst vor dem Tod – niemals!
Sex, Drugs & Wiener Klassik
Wer den echten Casanova seinen väterlichen Freund nennen kann, der hatte wohl ohnehin nie einen Hang zum Soliden. Lorenzo Da Ponte verband mit dem Abenteurer Giacomo Casanova nicht nur die venezianische Herkunft, sondern auch ein draufgängerischer Lebenswandel und eine Männerfreundschaft. Seine Karriere hatte Da Ponte allerdings im Priesterseminar begonnen. 1773 empfing er die niederen Weihen, schwenkte zum Theaterdichter um, wanderte als mehrfacher Bankrotteur später nach Amerika aus und schlug sich dort unter anderem als Tabak- und Branntweinhändler durch. Auch Wolfgang Amadeus Mozart mag ein Wunderkind, jedoch kein Musterknabe gewesen sein – zumindest, wenn es nach seinem Vater Leopold ging. Gegen dessen Willen hatte Mozart seine Stelle in Salzburg aufgegeben, ging mit 25 Jahren nach Wien und heiratete Constanze Weber. 1783 schloss der freischaffende Musiker Mozart in Wien Bekanntschaft mit Lorenzo Da Ponte, der damals als Hofpoet am Kaiserhof Josephs II. tätig war.

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Allem Anschein nach ging die Zusammenarbeit des kongenialen Duos Mozart und Da Ponte mit großer Selbstverständlichkeit vonstatten. Zeugnisse des Schaffensvorgangs fehlen gänzlich, nur ein einziges Mal erwähnt Mozart am 7. Mai 1783 in einem Brief an seinen Vater »einen gewissen Abate Da Ponte«. Wie Mozart sich die Zusammenarbeit mit Librettisten grundsätzlich vorstellt, verrät er in einem weiteren Brief: Ein italienischer Poet – ob es ich um Da Ponte handelt, bleibt unklar – habe ihm ein Textbuch angeboten, das Mozart nur dann zu vertonen gedenke, »wenn er es nach meinem Sinn zuschnizeln will.« Dass über das künstlerische Schaffen der beiden ausschließlich Selbstzeugnisse wie Mozarts Briefe und Da Pontes Memoiren als Quellen existieren, geht mit den erwartbaren Problemen von Ego-Dokumenten einher: Besonders in den ab 1807 entstandenen Memoiren Da Pontes spielte das Frisieren, Vergessen und Verheimlichen (etwa von Da Pontes jüdischer Abstammung) wohl eine wesentliche Rolle. Da Pontes Memorie wurden zurecht oft mit den Memoiren Casanovas verglichen, denn sie erzählen mit süffigem Humor, Charme und in zahlreichen Rückblenden auch die eine oder andere Frauengeschichte aus dem Leben eines Libertins. So gehörte zur Szenerie, die Da Ponte beim Schreiben des Don-Giovanni-Texts umgeben habe, jedenfalls stets die Flasche Tokajer, der Sevilla-Tabak, die Kaffeekanne und eine Glocke, mit der er nach einer bildhübschen Magd schellte, die bald »Don Giovannis« Muse werden sollte.
Giacomo Casanova wiederum fand Gefallen an Da Pontes Dramma giocoso, wie ein Manuskript aus seinem Nachlass zeigt: Casanova hatte sich an einer textlichen Umarbeitung des Schlusssextetts aus Don Giovanni versucht. Es ist ein hübsches Detail der Geschichte, dass der berühmte Augenblicksvielfraß, Abenteurer und Genussmensch Casanova persönlich der Uraufführung des Don Giovanni am 29. Oktober 1787 in Prag beiwohnte.
Giacomo Casanova wiederum fand Gefallen an Da Pontes Dramma giocoso, wie ein Manuskript aus seinem Nachlass zeigt: Casanova hatte sich an einer textlichen Umarbeitung des Schlusssextetts aus Don Giovanni versucht. Es ist ein hübsches Detail der Geschichte, dass der berühmte Augenblicksvielfraß, Abenteurer und Genussmensch Casanova persönlich der Uraufführung des Don Giovanni am 29. Oktober 1787 in Prag beiwohnte.
Höllenfahrt und Fiebertod
Der Prager Impresario Bondini war es, der Mozart nach dem Erfolg des Figaro 1786 den Auftrag zu einer neuen Oper gegeben hatte. Als sich Mozart also ein zweites Mal an Da Ponte als Textdichter wandte, fiel dessen Wahl rasch auf das Don-Juan-Sujet. Als Handlungsgrundriss und Librettovorlage diente Da Ponte Giuseppe Gazzanigas Opera buffa Don Giovanni Tenorio, die im Februar 1787 in Venedig zur Uraufführung kam. Zudem konnte er bereits auf eine lange Rezeptionsgeschichte des Stoffs zurückgreifen: Ihren Ursprung hat die Sagengestalt des Don Juan im Kastilien des 14. Jahrhunderts, als ein skrupelloser Höfling König Pedros I. Sevilla unsicher machte. Die erste Dramatisierung schuf Tirso de Molina, ein spanischer Mönch, in dessen christlich-moralischer Komödie El burlador de Sevilla y convidado de piedra der steinerne Gast als Symbol der Gerechtigkeit auf die ewigen Gesetze pocht. Gerade im katholischen Spanien musste die Moral des geistlichen Theaters im Sieg des Göttlichen über das Weltliche liegen. 1830 wird Alexander Puschkin in seinem Kurzdrama Der steinerne Gast, einer Verarbeitung des Sujets auf Basis von Mozarts Charakteren, aus der Vaterfigur Commendatore sogar den Ehemann Donna Annas und damit Don Giovannis Nebenbuhler machen. Maßgeblich für alle weiteren Bühnenfassungen des Don-Juan-Stoffs war bereits 1655 Molières Komödie Dom Juan ou le Festin de Pierre geworden, der wir die Figur der Donna Elvira verdanken.
Auch ein drittes Mal bat Mozart Da Ponte um ein Libretto. Nach Le nozze di Figaro 1786 und Don Giovanni 1787 folgte 1790 die Uraufführung von Così fan tutte am Wiener Burgtheater. Eine Trilogie zu schaffen, war nie der Plan des Duos gewesen. Dass es bei einer blieb, ist wohl dem frühen Tod Mozarts am 5. Dezember 1791 geschuldet. Mozart starb im Alter von 35 Jahren an einer Krankheit, die der Leichenbeschauer als »hitziges Frieselfieber« festhielt. Ob Mozart und Da Ponte ihre Zusammenarbeit fortgeführt hätten, ist allerdings auch deshalb fraglich, weil Da Ponte bereits im Frühjahr 1791 seinen Posten als Hoflibrettist in Wien verloren hatte. Nach einem Besuch bei Casanova in Prag zog Da Ponte nach London um, von wo aus er, auf der Flucht vor Gläubigern, in die USA aufbrach. Erst 1838 verstarb Da Ponte mit fast 90 Jahren in New York. Als Literaturprofessor und Promoter der italienischen Oper in Amerika hatte er sich einen Namen gemacht und wurde mit großem Pomp beerdigt.
Mozart erhielt 1791 ein Begräbnis »dritter Klasse«, die damals gängigste Bestattungsvariante in Wien, finanziert von seinem Gönner Gottfried van Swieten. Mozarts früher Tod und die unbefriedigende Todesursache
»Frieselfieber« öffneten wilden Gerüchten von Mordplänen, Intrigen und der Vergiftung des Genies Tür und Tor. Manch einer vermutete eine durch Quecksilber verschlimmbesserte Syphilis-Erkrankung. Eine der Schauergeschichten hat jedoch einen wahren Kern: Die des grauen Boten, der bei Mozart anonym eine Totenmesse bestellte.
Mozart erhielt 1791 ein Begräbnis »dritter Klasse«, die damals gängigste Bestattungsvariante in Wien, finanziert von seinem Gönner Gottfried van Swieten. Mozarts früher Tod und die unbefriedigende Todesursache
»Frieselfieber« öffneten wilden Gerüchten von Mordplänen, Intrigen und der Vergiftung des Genies Tür und Tor. Manch einer vermutete eine durch Quecksilber verschlimmbesserte Syphilis-Erkrankung. Eine der Schauergeschichten hat jedoch einen wahren Kern: Die des grauen Boten, der bei Mozart anonym eine Totenmesse bestellte.

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Der Tod als bester Freund des Menschen
Hinter dem geheimen Auftraggeber des Requiems verbarg sich der niederösterreichische Graf von Walsegg, dessen Frau im Februar 1791 verstorben war. Walsegg frönte einem pikanten Hobby: Er verschleierte seine Identität als Auftraggeber musikalischer Werke, um seinen eigenen Namen unter die gekauften Kompositionen setzen zu können. An Mozarts Tür klopfte also ein Mittelsmann. Mozart, der bislang noch nie eine Totenmesse komponiert hatte, nahm den Auftrag an. Doch auch ein Aufschieben der Deadline half nicht bei der Fertigstellung des Werks. Im November erkrankte Mozart und verstarb während der Arbeit an seinem Requiem. Das Kyrie sowie die sechsteilige Sequenz hinterließ er als Vokalpartituren mit Orgelstimme und Orchestrierungsskizzen. Der letzte Satz der Sequenz, das Lacrimosa, bricht nach acht Takten ab. Vollendet hatte Mozart einzig den Eingangschor, der vermutlich im Rahmen von Mozarts eigener Seelenmesse am 10. Dezember 1791 in der Wiener Michaelerkirche uraufgeführt wurde.
Da Constanze auf das Geld des ominösen Requiem-Auftraggebers angewiesen war, bat sie Franz Xaver Süßmayr, einen Schüler ihres Mannes, um Hilfe. Süßmayr vervollständigte die Instrumentierung und komponierte die fehlenden Teile ab dem Lacrimosa neu. Er fälschte Mozarts Unterschrift, übergab das Requiem Constanze, die es Graf Walsegg überreichte – der es wiederum als sein eigenes Werk ausgab. Erst sieben Jahre nach der Uraufführung der Süßmayr-Fassung 1793 flog Constanzes Schwindel auf.
Mit dem Tod auseinandergesetzt hatte sich Mozart bereits lange bevor er im Alter von 35 Jahren verstorben war. Im berühmten letzten Brief an seinen schwerkranken Vater vom 4. April 1787 teilt Mozart seine Einstellung zum Sterben mit ihm:
»da der Tod | : genau zu nemen : | der wahre Endzweck unsers Lebens ist, so habe ich mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! – und ich danke meinem gott, daß er mir das glück gegönnt hat mir die gelegenheit | : sie verstehen mich : | zu verschaffen, ihn als den schlüssel zu unserer wahren glückseeligkeit kennen zu lernen.«
Da Constanze auf das Geld des ominösen Requiem-Auftraggebers angewiesen war, bat sie Franz Xaver Süßmayr, einen Schüler ihres Mannes, um Hilfe. Süßmayr vervollständigte die Instrumentierung und komponierte die fehlenden Teile ab dem Lacrimosa neu. Er fälschte Mozarts Unterschrift, übergab das Requiem Constanze, die es Graf Walsegg überreichte – der es wiederum als sein eigenes Werk ausgab. Erst sieben Jahre nach der Uraufführung der Süßmayr-Fassung 1793 flog Constanzes Schwindel auf.
Mit dem Tod auseinandergesetzt hatte sich Mozart bereits lange bevor er im Alter von 35 Jahren verstorben war. Im berühmten letzten Brief an seinen schwerkranken Vater vom 4. April 1787 teilt Mozart seine Einstellung zum Sterben mit ihm:
»da der Tod | : genau zu nemen : | der wahre Endzweck unsers Lebens ist, so habe ich mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! – und ich danke meinem gott, daß er mir das glück gegönnt hat mir die gelegenheit | : sie verstehen mich : | zu verschaffen, ihn als den schlüssel zu unserer wahren glückseeligkeit kennen zu lernen.«

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Über Mozarts Jenseitsvorstellung ist nicht allzu viel bekannt. Als Freimaurer war Mozart jedenfalls mit jener gelassenen Haltung gegenüber dem Tod vertraut, die im freimaurerischen Meisterritual vertreten wird: Nur der schadenfrohe Menschenfeind müsse vor dem Tod zittern. Dem Menschenfreund jedoch sei der Tod ein »Glücksbote«, der ihn einlade, »die Früchte seines Edelmuthes ewig zu genießen«. Besonders in den letzten sieben Jahren seines Lebens ließ sich Mozart vom Ideengut und Humanitätsideal der Freimaurer anregen und leiten. Er schuf in dieser Zeit eine Reihe von Werken, die zur Umrahmung maurerischer Rituale gedacht waren. So entstand etwa 1785 aus Anlass des Todes zweier Brüder Mozarts »Maurerische Trauermusik«. Zu seiner Zauberfiöte, deren Handlung vielfach als freimaurerische Initiation gedeutet wurde, inspirierte Mozart 1784 ein Vortrag in seiner Loge »Zur wahren Eintracht« über die Mysterien der alten Ägypter.
Der Tod als bester Freund des Menschen
In Anlehnung an das Ägyptische Totenbuch gab man der aus dem achten Jahrhundert stammenden buddhistischen Schrift Bardo Thödol 1935 den deutschen Namen Tibetisches Totenbuch. Wörtlich übersetzt bedeutet der Titel des Werks über die Kunst des Sterbens »Befreiung durch Hören im Zwischenzustand«. Gemeint ist der Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt, der sich nach buddhistischer Vorstellung über 49 Tage erstreckt. Der Bardo Thödol wird dem Toten von einem Mönch vorgelesen und dient als Ratgeber für die Seele des Verstorbenen, die auf ihrer Reise verschiedene Bewusstseinszustände (»Bardos«) durchläuft. Angesprochen werden keine Götter, wie in den ägyptischen Mysterien, sondern nur der Mensch – und zwar nicht als Sünder, sondern als »Edelgeborener«, in dessen Seele alles Göttliche bereits enthalten ist.
Als das Tibetische Totenbuch 1927 erstmals auf Englisch erscheint und in der westlichen Welt gelesen wird, erkennt der Psychologe C. G. Jung darin sofort ein »aus archetypischen Inhalten des Unbewussten geschöpftes« Werk. Die Idee der qualitativen Verschiedenheit der Bewusstseinsstufen im Bardo Thödol begeistertet Jung so sehr, dass er einen ausführlichen Kommentar zur deutschen Erstausgabe verfasst. Den einzigen mit der Initiation des Toten ins Bardoleben vergleichbaren westlichen Initiationsprozess sieht Jung in der Freud’schen Psychoanalyse. Die Bewusstmachung noch ungeborenen seelischen Inhalts erfolgt bei Freud hauptsächlich durch die Beschäftigung mit sexuellen Fantasien, einem Gebiet, das laut Jung den Vorgängen im »Sidpa-Bardo« entspricht: In diesem letzten von drei Bardos werden die Taten des Verstorbenen rekapituliert. Sein Karma entscheidet über die Wiedergeburt oder das endgültige Ausbrechen aus dem Daseinskreislauf. Um diese völlige Befreiung zu erlangen, muss der Verstorbene im davor liegenden »Tschönyid-Bardo« alle erschreckenden Bilder von »friedlichen und zornigen Gottheiten« als Projektionen seines eigenen Geistes erkennen. Den Tschönyid-Zustand vergleicht Jung mit einer absichtlich herbeigeführten Psychose. Die »karmischen Illusionen«, die auf den psychischen Resten der Vorleben beruhen, entsprechen C. G. Jungs Konzept der »Archetypen«, Bildern aus der Schicht des kollektiven Unbewussten.
Als das Tibetische Totenbuch 1927 erstmals auf Englisch erscheint und in der westlichen Welt gelesen wird, erkennt der Psychologe C. G. Jung darin sofort ein »aus archetypischen Inhalten des Unbewussten geschöpftes« Werk. Die Idee der qualitativen Verschiedenheit der Bewusstseinsstufen im Bardo Thödol begeistertet Jung so sehr, dass er einen ausführlichen Kommentar zur deutschen Erstausgabe verfasst. Den einzigen mit der Initiation des Toten ins Bardoleben vergleichbaren westlichen Initiationsprozess sieht Jung in der Freud’schen Psychoanalyse. Die Bewusstmachung noch ungeborenen seelischen Inhalts erfolgt bei Freud hauptsächlich durch die Beschäftigung mit sexuellen Fantasien, einem Gebiet, das laut Jung den Vorgängen im »Sidpa-Bardo« entspricht: In diesem letzten von drei Bardos werden die Taten des Verstorbenen rekapituliert. Sein Karma entscheidet über die Wiedergeburt oder das endgültige Ausbrechen aus dem Daseinskreislauf. Um diese völlige Befreiung zu erlangen, muss der Verstorbene im davor liegenden »Tschönyid-Bardo« alle erschreckenden Bilder von »friedlichen und zornigen Gottheiten« als Projektionen seines eigenen Geistes erkennen. Den Tschönyid-Zustand vergleicht Jung mit einer absichtlich herbeigeführten Psychose. Die »karmischen Illusionen«, die auf den psychischen Resten der Vorleben beruhen, entsprechen C. G. Jungs Konzept der »Archetypen«, Bildern aus der Schicht des kollektiven Unbewussten.

© Frol Podlesnyi
Der Totenkult des Bardo Thödol beruht auf dem Glauben an die Überzeitlichkeit der Seele, doch erfüllt er ebenso das elementare psychologische Bedürfnis der Lebenden, etwas für die Verstorbenen zu tun. Grabdenkmäler – wie jenes des Commendatore – etwa gehören zu den auch im Christentum verbreiteten Totengebräuchen. Den einzigen Totenkult »in der Welt des weißen Mannes«, der sich in einer dem Bardo Thödol vergleichbaren Weise der seelischen Fürsorge für den Toten widmet, erkennt C. G. Jung in den Seelenmessen der katholischen Kirche. Werke wie Mozarts Requiem seien es also, die nicht vorrangig dem Trost der Hinterbliebenen dienen, sondern unmittelbar der Wohlfahrt einer abgeschiedenen Seele.
Mehr dazu
29. April 2025
Der Elviro von Bruno de Sá … ist nicht nur von agilen Koloraturen, sondern wirklich ein Faszinosum, bei dem man sich vorzustellen wagt, wie Kastraten »in echt« geklungen haben mögen… etwas, das man nie im Leben zu hören erwartete. Zum Glück ist die Stimme von de Sá kein Ergebnis einer Verstümmelung, sondern offenbar ein Wunder der Natur und auch der gründlichen Ausbildung. Man kann sich dem Staunen kaum entziehen.
Albrecht Selge, VAN Magazin
Schürzenjagd im Zwischenreich der Seele
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#KOBGiovanni
28. April 2025
So farbenfroh wie düster, sphärisch wie turbulent inszeniert… intensiv… kurzweilig, voll Humor aber auch Tiefgang.
Barbara Wiegand, rbb24 inforadio
Kurzweilig und mit Tiefgang: Don Giovanni an der Komischen Oper
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#KOBGiovanni
28. April 2025
Hochambitioniert und höchst unterhaltsam
Joachim Lange, concerti
Leben oder Tod – was tut's
Leben oder Tod – was tut's
#KOBGiovanni
22. April 2025
Der Tod ist die Wahrheit.
Zwischen Dämmerlicht und Schatten, zwischen Diesseits und Jenseits entfaltet Kirill Serebrennikov in seiner Inszenierung von Don Giovanni an der Komischen Oper Berlin ein eindringliches Ritual der letzten Dinge. Die Oper wird zur Seelenlandschaft – ein Zwischenreich, in dem Realität, Erinnerung und Vision verschwimmen. Serebrennikov kombiniert Mozarts Don Giovanni mit dem Requiem und erschafft eine atmosphärisch dichte Totenmesse für einen Getriebenen. Die Bühne wird zum Spiegel innerer Zustände: Ein Ort des Wandels, der Schuld, des Begehrens – und des unausweichlichen Endes. Der Tod ist hier keine Strafe, sondern Transformation einer Seele auf der Suche nach Erlösung. Ein Gespräch mit Regisseur, Bühnen und Kostümbildner Kirill Serebrennikov über »Ja«, »Nein« und den Zwischenzustand.
#KOBGiovanni
Interview
22. April 2025
Wenn jemand über den Tod lachen könnte, dann Mozart
Mozarts Requiem und Don Giovanni zeigen die extreme Bandbreite seines Schaffens. Dunkle Schwere trifft auf schwarzen Humor, musikalische Schönheit auf existenzielle Abgründe. Mit wenigen Moll-Tonarten entfaltet Mozart eine emotionale Kraft, die bis heute unvergleichlich bleibt. Don Giovanni vereint in sich erschreckende und komische Momente, während das Requiem Lichtblicke und tiefe Dunkelheit verbindet. Verborgene Zitate und spontane Eingriffe zeugen von Mozarts Freiheitsdrang und Theaterleidenschaft. In einer besonderen Inszenierung werden Don Giovannis Höllenfahrt und das Requiem direkt verbunden – ein radikaler Schnitt, der Tod und Erlösung musikalisch verschmelzen lässt. Entsteht so ein letztes großes „Hurra“? Ein Gespräch mit Generalmusikdirektor James Gaffigan über den Pionier des schwarzen Humors, ein Mordsspektakel und das Beste zum Schluss.
#KOBGiovanni
Interview
30. April 2024
Von silbernen Skulpturen und wackeligen Bügelbrettern
Über Mozarts und Da Pontes diplomatisches Können, das Gefühl, im System gefangen zu sein und den Freispruch durch Leidenschaft in Le nozze di figaro
#KOBFigaro
Einführung
28. April 2024
»Beeindruckend, wie nachhaltig Kirill Serebrennikow die Tiefendimension und die politische Stoßkraft der Macht- und Besitzverhältnisse in Mozarts »Le nozze di Figaro«, die Winkelzüge der Gefühle und des Gelächters, reflektiert und darstellen lässt ... Und wie enthusiastisch ihm das Ensemble der Komischen Oper durch das Comedia-Abenteuer all der Krümmungen und Windungen in Mozarts »Tollem Tag« folgt. Ungeteilt die Zustimmung im Berliner Schillertheater.«
»Le nozze di Figaro« von Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung
»Le nozze di Figaro« von Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung
#KOBFigaro
28. April 2024
»Dieses entfesselte Theater funktioniert als Ganzes vor allem, weil Tommaso Barea ein in jeder Hinsicht dunkel attraktiver Figaro ist und Hubert Zapiór sein smart arroganter Gegenspieler als Graf Almaviva. Dass Susanna die Frau ist, die hier eigentlich den größten Durchblick hat, wird von der beherzt frischen Penny Sofroniadou durchweg und darstellerisch beglaubigt. Nadja Mchantaf ist als Contessa längst desillusioniert, was die Dauerhaftigkeit von Liebesglück betrifft. Sie klingt auch melancholisch sanft. ... Am Pult des Orchesters der Komischen Oper sorgt James Gaffigan durchweg für die zupackende Dramatik, die diese szenische Deutung herausfordert, setzt ihr aber auch musikalisches Innehalten entgegen und sichert den Sängern Raum zur Entfaltung.«
»Le nozze di Figaro« von Wolfgang Amadeus Mozart
Joachim Lange, NMZ
»Le nozze di Figaro« von Wolfgang Amadeus Mozart
Joachim Lange, NMZ
#KOBFigaro
20. April 2024
Ein gesungener Protest
»Was in unsern Zeiten nicht erlaubt ist, gesagt zu werden, wird gesungen.« schrieb die Wiener Realzeitung über die Uraufführung von Le nozze di Figaro. Wie Mozart die Kritik an der Obrigkeit auch musikalisch in seine Oper vertont hat und wie Kirill Serebrennikov gesellschaftlicher Ungleichheit im Bühnenbild Ausdruck verleiht, erfahren Sie hier – das Wichtigste in Kürze.
#KOBFigaro
17. April 2024
Verboten komisch
Warum Le nozze di Figaro mehr als nur eine Geschichte über die Umverteilung von Macht ist, welche Rolle die zeitgenössischen Kunstwerke auf der Bühne spielen und wieso ein Lachen des Publikums für die Obrigkeit gefährlich ist – Regisseur und Bühnenbildner Kirill Serebrennikov im Gespräch.
#KOBFigaro
Interview
21. Dezember 2023
Zynische Liebestrolle
Eigentlich ist Mozarts und Da Pontes Oper Così fan tutte als fröhliche Komödie angelegt. Doch Regisseur Kirill Serebrennikov hat ihrem Humor eine schwarzen Anstrich verpasst. Seine Inszenierung schält die zynischen Momente einer Paarbeziehung heraus, zeigt die brutale und dämonische (Liebes-)Macht zweifelnder Männer, die in einem grausamen Experiment mit der Treue und den Gefühlen ihrer Frauen va banque spielen. Seismographisch tastet Kirill Serebrennikov so auf seine Weise die Schwächen und die Zerbrechlichkeit moderner Menschen ab und modernisiert die frivole Verwechslungsgeschichte zu einer düsteren Erzählung über heutige Machtverhältnisse zwischen Liebespartner:innen. Im Interview spricht Kirill Serebrennikov über Treue, Korruption, Vergessen und einem Happy End in Trauer in Così fan tutte, erschienen im Magazin des Opernhaus Zürich.
#KOBCosi
Oper
Interview
12. Dezember 2023
Musikalische Schocktherapie
Così fan tutte im Hier, im Jetzt und mit uns – eine Einführung
#KOBCosi
Einführung
Kirill Serebrennikov
10. Dezember 2023
»Im Widerstand gegen die Finsternis«
Mozart ist sexy, abgründig und zugleich ein großer Humanst – erzählt Regisseur Kirill Serebrennikov im Gespräch. Und auch darüber, warum seine Inszenierung Così fan tutte von der Realität eingeholt wurde.
#KOBCosi
Interview
Kirill Serebrennikov
5. März 2023
Spiel mit Geschlechterrollen
Warum Mozarts Oper Così fan tutte zwar bei der Premiere gefeiert, aber danach oft nur überarbeitet in die Spielpläne genommen wurde, wieso der Titel eigentlich geändert werden sollte und unter welchen schwierigen Umständen diese Inszenierung ursprünglich entstand: Dies alles erfahren Sie in unserem schnellen Überblick!
#KOBCosi
Oper
Einführung
13.03.2023
Serebrennikov rückt die Fiordiligi von Nadja Mchantaf ins Zentrum. In der Sopranistin des Hauses hat er eine großartige Darstellerin gefunden ... Ebenso bezaubernd präsentiert sich Susan Zarrabi als vergnügungssüchtigere Dorabella. Die homogene, spielfreudige Sängertruppe führt in dieser Mozart-Neuproduktion wieder einmal vor, was den großen Reiz der Komischen Oper ausmacht. Es ist das Miteinander, alle Handelnden möglichst lebensecht auf die Bühne zu bringen. Mit seinem schön geführten Tenor überzeugt Caspar Singh als Dorabellas Verlobter Ferrando, Katharina Müllner führt am Pult das Sängerensemble behutsam und gekonnt abgestimmt durch die Oper.
Araber, Kreuze und ein Lustschrei
Volker Blech, Berliner Morgenpost
Volker Blech, Berliner Morgenpost
#KOBCosi
13.03.2023
Così fan tutte: schön singen hier eigentlich alle. … selten hört man Mozart so durchweg gut und so sinnlich
Großartiger Abend: »Cosi fan tutte« in der Komischen Oper
Barbara Wiegand, rbb inforadio
Barbara Wiegand, rbb inforadio
#KOBCosi
13.03.2023
Nadja Mchantaf singt eine berührend-kämpferische Fiordiligi, die in einer jugendlich-stimmigen Besetzung mit Susan Zarrabi (Dorabella), Hubert Zapiór (Guglielmo) und Caspar Singh (Ferrando) umgeben ist.
Flachgelegt auf der Küchenzeile: Serebrennikov inszeniert »Così fan tutte«
Ulrich Amling, Der Tagesspiegel
Ulrich Amling, Der Tagesspiegel
#KOBCosi
12.03.2023
Das ist höchst unterhaltsam, spannend, amüsant, außerordentlich vielschichtig und sensationell geplant und gespielt. Mozart hätte seine helle Freude gehabt. So sexy, so ironisch und tiefsinnig ist seine Musik, ist da Pontes Story. Hier finden sie ihren Regiemeister und eine brillante Sängertruppe. Zum Niederknien erotisch und bildschön nicht nur anzuhören, sondern auch anzusehen sind Nadja Mchantaf als sich zierende Fiordiligi und Susan Zarrabi als Partymaus Dorabella. Die zwei Intrigantinnen, die alles inszenieren, Günter Papendell als Don Alfonso und Alma Sadé als Despina, stehen ihnen in nichts nach, an ihrer Seite die Verlobten und Enttäuschten Ferrando und Guglielmo. Caspar Singh und Hubert Zapiór werden ebenso frenetisch gefeiert. … Diese Così ist mithin ein Must. Wild, tiefsinnig, sexy, nie vulgär, nie platt aktualisierend.
Sexy, wild und amüsant
Maria Ossowski, rbb24
Maria Ossowski, rbb24
#KOBCosi