© Frol Podlesnyi
Der Tod ist die Wahrheit.
Zwischen Dämmerlicht und Schatten, zwischen Diesseits und Jenseits entfaltet Kirill Serebrennikov in seiner Inszenierung von Don Giovanni an der Komischen Oper Berlin ein eindringliches Ritual der letzten Dinge. Die Oper wird zur Seelenlandschaft – ein Zwischenreich, in dem Realität, Erinnerung und Vision verschwimmen. Serebrennikov kombiniert Mozarts Don Giovanni mit dem Requiem und erschafft eine atmosphärisch dichte Totenmesse für einen Getriebenen. Die Bühne wird zum Spiegel innerer Zustände: Ein Ort des Wandels, der Schuld, des Begehrens – und des unausweichlichen Endes. Der Tod ist hier keine Strafe, sondern Transformation einer Seele auf der Suche nach Erlösung. Ein Gespräch mit Regisseur, Bühnen und Kostümbildner Kirill Serebrennikov über »Ja«, »Nein« und den Zwischenzustand.
Wir nähern uns dem Ende der Mozart-Da-Ponte-Trilogie, die Du für die Komische Oper Berlin in Szene gesetzt hast. Eine »Trilogie« wären Don Giovanni und Così fan tutte, Le nozze di Figaro vermutlich gar nicht geblieben, wenn Mozart nicht schon mit 35 Jahren verstorben wäre – verstehst Du die drei Werke dennoch als solche?
Kirill Serebrennikov: Ich mag Strukturen und strukturierte Konzeptionen. Wenn Musik oder ganze Opern eine übergeordnete Form erhalten – wie eine Trilogie zum Beispiel –, dann hilft mir das dabei, eine größere Zahl von Verbindungen herzustellen, vor allem innerhalb der Musik, und diese zu organisieren. Natürlich birgt jede Einteilung die Gefahr, die Musik, so wie jede andere Kunstform, zu limitieren oder in eine Form zu drängen, die ihr nicht gerecht wird. Im Sinne eines besseren Verständnisses und der praktischen Organisation des Prozesses will ich aber von einer Trilogie sprechen.
Kirill Serebrennikov: Ich mag Strukturen und strukturierte Konzeptionen. Wenn Musik oder ganze Opern eine übergeordnete Form erhalten – wie eine Trilogie zum Beispiel –, dann hilft mir das dabei, eine größere Zahl von Verbindungen herzustellen, vor allem innerhalb der Musik, und diese zu organisieren. Natürlich birgt jede Einteilung die Gefahr, die Musik, so wie jede andere Kunstform, zu limitieren oder in eine Form zu drängen, die ihr nicht gerecht wird. Im Sinne eines besseren Verständnisses und der praktischen Organisation des Prozesses will ich aber von einer Trilogie sprechen.
Don Giovanni/Requiem
Dramma giocoso in zwei Akten [1787]
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Requiem KV 626 [1791]
Introitus, Kyrie, Sequenz
Premiere am 27. April 2025
Was ist der verbindende Gedanke für diese drei Abende?
Kirill Serebrennikov: Alle drei Abende erzählen von Gegensätzen: In Così fan tutte geht es um die Gegensätze zwischen Frauen und Männern, in Le nozze di Figaro werden die Unterschiede zwischen Arm und Reich thematisiert und im Don Giovanni dreht sich alles um den Gegensatz zwischen Leben und Tod. Und bei all diesen Gegensatzpaaren ist zugleich klar, dass eine eindeutige Grenze in Wirklichkeit nicht existiert. Vielmehr handelt es sich um eine durchlässige Grenze, die sich verschieben lässt, je nachdem welchen Blickwinkel man einnimmt. Mauern existieren nur in unserem Kopf.
Kirill Serebrennikov: Alle drei Abende erzählen von Gegensätzen: In Così fan tutte geht es um die Gegensätze zwischen Frauen und Männern, in Le nozze di Figaro werden die Unterschiede zwischen Arm und Reich thematisiert und im Don Giovanni dreht sich alles um den Gegensatz zwischen Leben und Tod. Und bei all diesen Gegensatzpaaren ist zugleich klar, dass eine eindeutige Grenze in Wirklichkeit nicht existiert. Vielmehr handelt es sich um eine durchlässige Grenze, die sich verschieben lässt, je nachdem welchen Blickwinkel man einnimmt. Mauern existieren nur in unserem Kopf.
Kirill Serebrennikov, Regie Don Giovanni/Requiem
Wie kam es zu der Idee, Don Giovanni und Mozarts Requiem miteinander zu kombinieren?
Kirill Serebrennikov: Ein zentrales Merkmal unserer Da-Ponte-Trilogie war die Suche nach musikalischen Verbindungen innerhalb Mozarts musikalischem und symbolischem Universum. Bereits in der ersten »Episode« dieser Trilogie, Così fan tutte, haben wir einen stimmigen Platz für ein Zitat aus Don Giovanni, nämlich aus der Musik des Commendatore, gefunden. Im Figaro habe ich dieses Prinzip gemeinsam mit meinem Dramaturgen Daniil Orlov weiterentwickelt. Und so ist bereits sehr früh während unserer Arbeit an Don Giovanni das Requiem hinzugetreten. Obwohl diese beiden Werke nicht zusammen entstanden sind, sind sie durch dieselbe Tonart, gemeinsame Motive (insbesondere des Commendatore und der Donna Anna) und zweifellos durch ein profundes, existenzielles Verständnis für Theater verbunden.
Auf Don Giovannis »Höllenfahrt« das Requiem folgen zu lassen, schließt an die frühere Tradition an, das ursprüngliche, belehrende Schlusssextett zu streichen. Wie stehst Du zu dieser Tradition?
Kirill Serebrennikov: Die Moralité war eine Theatertradition und ist als Spiegel der Zeit zu verstehen, in der Mozart lebte und wirkte. Diese »scena ultima« ist kein richtiger Schluss, sondern eher eine »Szene nach dem Abspann«. Für mich ist der Tod Don Giovannis das beste und schlüssigste Ende. Die Musik danach ist weniger kraftvoll und mächtig. Zusammen mit dem Requiem wird die Oper so zu einer Messe für die Seele eines Verstorbenen, die ihre letzten Schritte auf dem Weg zum Ziel des Todes geht: zur Befreiung.
Traditionell geht es um die Bestrafung des Wüstlings und Sünders Don Giovanni. Wie skandalös sind die Taten dieses Mannes?
Kirill Serebrennikov: Für das heutige Verständnis ist sein Verhalten nicht besonders skandalös. Er ist ein Mann, der Frauen liebt. Sein größtes Laster ist jedenfalls das Lügen. Don Giovanni versucht, Frauen zu verführen und ihre Familien zu zerbrechen. Er leistet sich also eine Menge sündhafter Tricks. Deshalb ist eine der wichtigsten Szenen der Oper jene im Finale I (»Traditore! Tutto già si sa!«), in der alle sechs anderen Personen aussprechen, dass sie wissen, was vor sich geht.
Das Libretto erlaubt Don Giovanni nicht einen Moment der Reflexion über sein Leben. Sein erstes Solo ist die »Champagner-Arie«, die kein Infragestellen zulässt. In dieser Produktion ist das anders: Don Giovanni blickt auf sein Leben zurück …
Kirill Serebrennikov: Ja, wir sehen Don Giovannis Seele, ebenso wie den Commendatore, von Anfang an bis zum Ende. Wir lassen die beiden nicht nur ganz zu Beginn und ganz zum Schluss zusammen auftreten, wie es im Libretto steht, sondern schlagen einen Bogen von der Ouvertüre bis zum Ende des Requiems. Don Giovanni liebt zwar alles, was sich um Leidenschaft, Liebe und Sex dreht, aber einen Menschen hat er noch nie getötet. Diese Erfahrung ist für ihn traumatisch und wie ein Fluch, der sein Leben völlig verändert. Der Tod des Commendatore ist für unseren Don Giovanni ein Schlüsselerlebnis.
Kirill Serebrennikov: Ein zentrales Merkmal unserer Da-Ponte-Trilogie war die Suche nach musikalischen Verbindungen innerhalb Mozarts musikalischem und symbolischem Universum. Bereits in der ersten »Episode« dieser Trilogie, Così fan tutte, haben wir einen stimmigen Platz für ein Zitat aus Don Giovanni, nämlich aus der Musik des Commendatore, gefunden. Im Figaro habe ich dieses Prinzip gemeinsam mit meinem Dramaturgen Daniil Orlov weiterentwickelt. Und so ist bereits sehr früh während unserer Arbeit an Don Giovanni das Requiem hinzugetreten. Obwohl diese beiden Werke nicht zusammen entstanden sind, sind sie durch dieselbe Tonart, gemeinsame Motive (insbesondere des Commendatore und der Donna Anna) und zweifellos durch ein profundes, existenzielles Verständnis für Theater verbunden.
Auf Don Giovannis »Höllenfahrt« das Requiem folgen zu lassen, schließt an die frühere Tradition an, das ursprüngliche, belehrende Schlusssextett zu streichen. Wie stehst Du zu dieser Tradition?
Kirill Serebrennikov: Die Moralité war eine Theatertradition und ist als Spiegel der Zeit zu verstehen, in der Mozart lebte und wirkte. Diese »scena ultima« ist kein richtiger Schluss, sondern eher eine »Szene nach dem Abspann«. Für mich ist der Tod Don Giovannis das beste und schlüssigste Ende. Die Musik danach ist weniger kraftvoll und mächtig. Zusammen mit dem Requiem wird die Oper so zu einer Messe für die Seele eines Verstorbenen, die ihre letzten Schritte auf dem Weg zum Ziel des Todes geht: zur Befreiung.
Traditionell geht es um die Bestrafung des Wüstlings und Sünders Don Giovanni. Wie skandalös sind die Taten dieses Mannes?
Kirill Serebrennikov: Für das heutige Verständnis ist sein Verhalten nicht besonders skandalös. Er ist ein Mann, der Frauen liebt. Sein größtes Laster ist jedenfalls das Lügen. Don Giovanni versucht, Frauen zu verführen und ihre Familien zu zerbrechen. Er leistet sich also eine Menge sündhafter Tricks. Deshalb ist eine der wichtigsten Szenen der Oper jene im Finale I (»Traditore! Tutto già si sa!«), in der alle sechs anderen Personen aussprechen, dass sie wissen, was vor sich geht.
Das Libretto erlaubt Don Giovanni nicht einen Moment der Reflexion über sein Leben. Sein erstes Solo ist die »Champagner-Arie«, die kein Infragestellen zulässt. In dieser Produktion ist das anders: Don Giovanni blickt auf sein Leben zurück …
Kirill Serebrennikov: Ja, wir sehen Don Giovannis Seele, ebenso wie den Commendatore, von Anfang an bis zum Ende. Wir lassen die beiden nicht nur ganz zu Beginn und ganz zum Schluss zusammen auftreten, wie es im Libretto steht, sondern schlagen einen Bogen von der Ouvertüre bis zum Ende des Requiems. Don Giovanni liebt zwar alles, was sich um Leidenschaft, Liebe und Sex dreht, aber einen Menschen hat er noch nie getötet. Diese Erfahrung ist für ihn traumatisch und wie ein Fluch, der sein Leben völlig verändert. Der Tod des Commendatore ist für unseren Don Giovanni ein Schlüsselerlebnis.

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Hat diese Schuld für Dich etwas mit dem Konzept von Karma zu tun?
Kirill Serebrennikov: Ja, ich glaube an die Idee von Karma – daran, dass jede Tat, die ein Mensch begeht, Konsequenzen für ihn hat, sei es in diesem oder im nächsten Leben. Die Überlegung, dass der Tod nicht das Ende der Reise ist, wird nicht nur in der buddhistischen Philosophie vertreten, sondern ist auch in anderen Philosophien und der Wissenschaft verbreitet. Der Tod im eigentlichen Sinne existiert demnach gar nicht, da er eher einen Wandel des Zustandes als ein Ende darstellt. Die Vorstellung vom absoluten Ende der Existenz des Menschen wurde erst durch die Erfindung technischer Geräte eingeführt, mit denen der Tod wissenschaftlich bestimmt werden soll. Es ist aber kein Geheimnis, dass das menschliche Sein nicht einfach verschwindet. Da ist also irgendetwas, das bleibt, weiterlebt und versucht, eine Art nächste Stufe oder eine nächste Tür zu finden.
Ganz zu Beginn sehen wir Don Giovanni als Verstorbenen, … oder?
Kirill Serebrennikov: Zunächst könnte man annehmen, er sei tot. Aber wenig später wird man erkennen, dass sich Don Giovanni in einer Art Zwischenzustand befindet. Wir haben in dieser Inszenierung eine komplizierte Beziehung zur Zeit aufgebaut, denn manche Ereignisse spielen sich als Flashbacks ab oder sind Einbildungen. Wir haben versucht, die Narration weitestmöglich aufzulösen. Unser Anliegen ist es, Dimensionen dieses Stücks jenseits der vielfach erzählten Handlung zu zeigen.
Ähnelt dieser »Zwischenzustand«, in dem sich Don Giovanni befindet, dem Träumen – in dem Sinne, dass Bilder verzerrt und verschoben erscheinen?
Kirill Serebrennikov: Um das zu erkunden, lassen wir Gedanken aus dem Tibetischen Totenbuch einfließen. Es beschreibt alle Zwischenschritte und Bewusstseinszustände, die sogenannten »Bardos«, die in der buddhistischen Vorstellung dem Augenblick des Todes folgen. Bis zum Moment der Wiedergeburt, der Erleuchtung oder einer neuen Chance. Dieser berühmte, magische Text erklärt Dinge, die man nicht beweisen kann, denen man einfach vertrauen muss. Ich finde ihn auch deshalb so interessant, weil es gar nicht um bestimmte religiöse Glaubenssätze geht, sondern vielmehr um Bewusstseinszustände und ein Konzept von Leben und Tod. Ich vertraue dieser Idee, die im Tibetischen Totenbuch beschrieben wird, dass nach dem Tod ein winziger Teil von uns am Leben bleibt. Man kann ihn Energie nennen, aber es gibt zahllose Begriffe für diesen winzigen Teil. Ich würde mich wirklich nicht als religiös bezeichnen, aber ich versuche, die Konstruktion unseres Lebens zu begreifen. Mir ist es zu langweilig, solchen Dingen mit Ignoranz zu begegnen, oder mich mit der Unerklärlichkeit zu begnügen.
Kirill Serebrennikov: Ja, ich glaube an die Idee von Karma – daran, dass jede Tat, die ein Mensch begeht, Konsequenzen für ihn hat, sei es in diesem oder im nächsten Leben. Die Überlegung, dass der Tod nicht das Ende der Reise ist, wird nicht nur in der buddhistischen Philosophie vertreten, sondern ist auch in anderen Philosophien und der Wissenschaft verbreitet. Der Tod im eigentlichen Sinne existiert demnach gar nicht, da er eher einen Wandel des Zustandes als ein Ende darstellt. Die Vorstellung vom absoluten Ende der Existenz des Menschen wurde erst durch die Erfindung technischer Geräte eingeführt, mit denen der Tod wissenschaftlich bestimmt werden soll. Es ist aber kein Geheimnis, dass das menschliche Sein nicht einfach verschwindet. Da ist also irgendetwas, das bleibt, weiterlebt und versucht, eine Art nächste Stufe oder eine nächste Tür zu finden.
Ganz zu Beginn sehen wir Don Giovanni als Verstorbenen, … oder?
Kirill Serebrennikov: Zunächst könnte man annehmen, er sei tot. Aber wenig später wird man erkennen, dass sich Don Giovanni in einer Art Zwischenzustand befindet. Wir haben in dieser Inszenierung eine komplizierte Beziehung zur Zeit aufgebaut, denn manche Ereignisse spielen sich als Flashbacks ab oder sind Einbildungen. Wir haben versucht, die Narration weitestmöglich aufzulösen. Unser Anliegen ist es, Dimensionen dieses Stücks jenseits der vielfach erzählten Handlung zu zeigen.
Ähnelt dieser »Zwischenzustand«, in dem sich Don Giovanni befindet, dem Träumen – in dem Sinne, dass Bilder verzerrt und verschoben erscheinen?
Kirill Serebrennikov: Um das zu erkunden, lassen wir Gedanken aus dem Tibetischen Totenbuch einfließen. Es beschreibt alle Zwischenschritte und Bewusstseinszustände, die sogenannten »Bardos«, die in der buddhistischen Vorstellung dem Augenblick des Todes folgen. Bis zum Moment der Wiedergeburt, der Erleuchtung oder einer neuen Chance. Dieser berühmte, magische Text erklärt Dinge, die man nicht beweisen kann, denen man einfach vertrauen muss. Ich finde ihn auch deshalb so interessant, weil es gar nicht um bestimmte religiöse Glaubenssätze geht, sondern vielmehr um Bewusstseinszustände und ein Konzept von Leben und Tod. Ich vertraue dieser Idee, die im Tibetischen Totenbuch beschrieben wird, dass nach dem Tod ein winziger Teil von uns am Leben bleibt. Man kann ihn Energie nennen, aber es gibt zahllose Begriffe für diesen winzigen Teil. Ich würde mich wirklich nicht als religiös bezeichnen, aber ich versuche, die Konstruktion unseres Lebens zu begreifen. Mir ist es zu langweilig, solchen Dingen mit Ignoranz zu begegnen, oder mich mit der Unerklärlichkeit zu begnügen.

© Frol Podlesnyi
Stehen diese Ideen nicht in Konflikt mit den Jenseitsvorstellungen des Christentums und damit dem religiösen Ritus des Requiems?
Kirill Serebrennikov: Viele Religionen sagen: »Bitte benehmt Euch, sonst werdet Ihr bestraft und kommt in die Hölle.« Im Christentum geht es viel um Macht und darum, dass sich die Menschen in den Dienst ihrer Religion stellen. Der Buddhismus gibt Dir hingegen ein Lebenskonzept und erklärt, dass das Leben endlos ist. Es kommt dann auf Dich selbst und Deinen Umgang damit an. Ich glaube nicht an die Hölle oder irgendwelche Teufel. Ich glaube aber, dass wir in schlechte Verhältnisse wiedergeboren werden können, wenn wir Falsches tun.
In welcher Beziehung stehen Don Giovanni und Leporello zueinander?
Kirill Serebrennikov: Alle Figuren stehen eigentlich auf derselben Ebene, da wir uns in Don Giovannis Bewusstsein befinden. Das ganze Stück spielt sich zwischen den Polen »Ja« und »Nein« ab. Deshalb haben wir diese beiden Wörter auch als Zeichen auf der Bühne. Don Giovanni steht in diesem Sinne für das »Ja«, während Leporello für das »Nein« steht. Leporello hasst alles, was Don Giovanni tut und widerfährt, er weist alles von sich und streitet es ab.
In Hinblick auf die Ereignisse rund um Donna Anna und Zerlina: Wem können wir glauben?
Kirill Serebrennikov: Alle lügen, die ganze Oper hindurch! Der Punkt, den Mozart und Da Ponte mit ihrer Oper machen wollen, ist, dass es keine Wahrheit gibt. Wahrheit existiert nur in dem Moment, in dem Du stirbst. Der Tod ist die Wahrheit. Im Umgang mit anderen Menschen lassen sich immer Tricks, Mogeleien und Auswege finden. Man kann wie Don Giovanni versuchen, dem Tod, der Bestrafung oder der letzten Aufforderung zur Besserung zu entgehen, aber der Tod lässt sich nicht vermeiden. Jeder muss ihm irgendwann ins Auge blicken. Das Tibetische Totenbuch lehrt uns, vor diesem Moment keine Angst zu haben und diese Reise mit Vergnügen auf uns zu nehmen. Und Don Giovanni macht uns genau das in unserer Inszenierung vor.
Kirill Serebrennikov: Viele Religionen sagen: »Bitte benehmt Euch, sonst werdet Ihr bestraft und kommt in die Hölle.« Im Christentum geht es viel um Macht und darum, dass sich die Menschen in den Dienst ihrer Religion stellen. Der Buddhismus gibt Dir hingegen ein Lebenskonzept und erklärt, dass das Leben endlos ist. Es kommt dann auf Dich selbst und Deinen Umgang damit an. Ich glaube nicht an die Hölle oder irgendwelche Teufel. Ich glaube aber, dass wir in schlechte Verhältnisse wiedergeboren werden können, wenn wir Falsches tun.
In welcher Beziehung stehen Don Giovanni und Leporello zueinander?
Kirill Serebrennikov: Alle Figuren stehen eigentlich auf derselben Ebene, da wir uns in Don Giovannis Bewusstsein befinden. Das ganze Stück spielt sich zwischen den Polen »Ja« und »Nein« ab. Deshalb haben wir diese beiden Wörter auch als Zeichen auf der Bühne. Don Giovanni steht in diesem Sinne für das »Ja«, während Leporello für das »Nein« steht. Leporello hasst alles, was Don Giovanni tut und widerfährt, er weist alles von sich und streitet es ab.
In Hinblick auf die Ereignisse rund um Donna Anna und Zerlina: Wem können wir glauben?
Kirill Serebrennikov: Alle lügen, die ganze Oper hindurch! Der Punkt, den Mozart und Da Ponte mit ihrer Oper machen wollen, ist, dass es keine Wahrheit gibt. Wahrheit existiert nur in dem Moment, in dem Du stirbst. Der Tod ist die Wahrheit. Im Umgang mit anderen Menschen lassen sich immer Tricks, Mogeleien und Auswege finden. Man kann wie Don Giovanni versuchen, dem Tod, der Bestrafung oder der letzten Aufforderung zur Besserung zu entgehen, aber der Tod lässt sich nicht vermeiden. Jeder muss ihm irgendwann ins Auge blicken. Das Tibetische Totenbuch lehrt uns, vor diesem Moment keine Angst zu haben und diese Reise mit Vergnügen auf uns zu nehmen. Und Don Giovanni macht uns genau das in unserer Inszenierung vor.
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29. April 2025
Der Elviro von Bruno de Sá … ist nicht nur von agilen Koloraturen, sondern wirklich ein Faszinosum, bei dem man sich vorzustellen wagt, wie Kastraten »in echt« geklungen haben mögen… etwas, das man nie im Leben zu hören erwartete. Zum Glück ist die Stimme von de Sá kein Ergebnis einer Verstümmelung, sondern offenbar ein Wunder der Natur und auch der gründlichen Ausbildung. Man kann sich dem Staunen kaum entziehen.
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28. April 2025
So farbenfroh wie düster, sphärisch wie turbulent inszeniert… intensiv… kurzweilig, voll Humor aber auch Tiefgang.
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Eigentlich ist Mozarts und Da Pontes Oper Così fan tutte als fröhliche Komödie angelegt. Doch Regisseur Kirill Serebrennikov hat ihrem Humor eine schwarzen Anstrich verpasst. Seine Inszenierung schält die zynischen Momente einer Paarbeziehung heraus, zeigt die brutale und dämonische (Liebes-)Macht zweifelnder Männer, die in einem grausamen Experiment mit der Treue und den Gefühlen ihrer Frauen va banque spielen. Seismographisch tastet Kirill Serebrennikov so auf seine Weise die Schwächen und die Zerbrechlichkeit moderner Menschen ab und modernisiert die frivole Verwechslungsgeschichte zu einer düsteren Erzählung über heutige Machtverhältnisse zwischen Liebespartner:innen. Im Interview spricht Kirill Serebrennikov über Treue, Korruption, Vergessen und einem Happy End in Trauer in Così fan tutte, erschienen im Magazin des Opernhaus Zürich.
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Warum Mozarts Oper Così fan tutte zwar bei der Premiere gefeiert, aber danach oft nur überarbeitet in die Spielpläne genommen wurde, wieso der Titel eigentlich geändert werden sollte und unter welchen schwierigen Umständen diese Inszenierung ursprünglich entstand: Dies alles erfahren Sie in unserem schnellen Überblick!
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Einführung
13.03.2023
Serebrennikov rückt die Fiordiligi von Nadja Mchantaf ins Zentrum. In der Sopranistin des Hauses hat er eine großartige Darstellerin gefunden ... Ebenso bezaubernd präsentiert sich Susan Zarrabi als vergnügungssüchtigere Dorabella. Die homogene, spielfreudige Sängertruppe führt in dieser Mozart-Neuproduktion wieder einmal vor, was den großen Reiz der Komischen Oper ausmacht. Es ist das Miteinander, alle Handelnden möglichst lebensecht auf die Bühne zu bringen. Mit seinem schön geführten Tenor überzeugt Caspar Singh als Dorabellas Verlobter Ferrando, Katharina Müllner führt am Pult das Sängerensemble behutsam und gekonnt abgestimmt durch die Oper.
Araber, Kreuze und ein Lustschrei
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13.03.2023
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Großartiger Abend: »Cosi fan tutte« in der Komischen Oper
Barbara Wiegand, rbb inforadio
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13.03.2023
Nadja Mchantaf singt eine berührend-kämpferische Fiordiligi, die in einer jugendlich-stimmigen Besetzung mit Susan Zarrabi (Dorabella), Hubert Zapiór (Guglielmo) und Caspar Singh (Ferrando) umgeben ist.
Flachgelegt auf der Küchenzeile: Serebrennikov inszeniert »Così fan tutte«
Ulrich Amling, Der Tagesspiegel
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#KOBCosi
12.03.2023
Das ist höchst unterhaltsam, spannend, amüsant, außerordentlich vielschichtig und sensationell geplant und gespielt. Mozart hätte seine helle Freude gehabt. So sexy, so ironisch und tiefsinnig ist seine Musik, ist da Pontes Story. Hier finden sie ihren Regiemeister und eine brillante Sängertruppe. Zum Niederknien erotisch und bildschön nicht nur anzuhören, sondern auch anzusehen sind Nadja Mchantaf als sich zierende Fiordiligi und Susan Zarrabi als Partymaus Dorabella. Die zwei Intrigantinnen, die alles inszenieren, Günter Papendell als Don Alfonso und Alma Sadé als Despina, stehen ihnen in nichts nach, an ihrer Seite die Verlobten und Enttäuschten Ferrando und Guglielmo. Caspar Singh und Hubert Zapiór werden ebenso frenetisch gefeiert. … Diese Così ist mithin ein Must. Wild, tiefsinnig, sexy, nie vulgär, nie platt aktualisierend.
Sexy, wild und amüsant
Maria Ossowski, rbb24
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