© Jan Windszus Photography
Jesus Christ Superstar
Let it Rock
Über die Vibes der 70er, menschliche Bibelcharaktere und eine herzergreifende »Bromance«
eine Einführung von Daniel Andrés Eberhard
eine Einführung von Daniel Andrés Eberhard
Auch wenn dem Christentum hierzulande seit Jahren eine tiefe Krise nachgesagt wird, überrascht es doch, wie ungebrochen die Faszination rund um die Person Jesus von Nazareth anhält. Wie sonst ließe sich die Begeisterung für ein Stück wie Jesus Christ Superstar erklären, das seit den 1970er Jahren bis zum heutigen Tage einen Erfolg nach dem anderen feiert? Und das, obwohl diese Rockoper doch eigentlich überholt scheint! Immerhin entstand das Werk zu einer Zeit, in der gegen den Vietnamkrieg protestiert wurde, in der die Jesus-People nach einem Glauben abseits der Kirche suchten, in der Flower-Power und Hippie-Kultur angesagt waren und in der die Rockmusik als kollektive Gemeinschaftserfahrung auf legendären Festivals wie Woodstock zelebriert wurde. Kurzum: alles Schnee von gestern – wo sind sie hin die Hippies? Was ist aus der Rockmusik von damals geworden? Wo findet man heute überhaupt noch E-Gitarren-Götter?
Jesus Christ Superstar
Gesangstexte von Tim Rice
Musik von Andrew Lloyd Webber
Uraufführung am 12. Oktober 1971
im Mark Hellinger Theatre in New York City
Das Publikum jedenfalls ist noch immer gefesselt von einem Stück mit so eindeutigen 70er-Vibes. Böse Zungen würden sagen, dass das in Anbetracht der angenehmen Verdaulichkeit von Jesus Christ Superstar auch kaum verwundert. So gibt es nicht wenige, die meinen, dass die rockige Adaption der letzten sieben Tage im Leben von Jesus weniger etwas mit dem Bedürfnis einer radikalen Bibel-Neudeutung zu tun habe, sondern eher mit einer wohlkalkulierten Kommerzmaschinerie. Dass das damals noch unbekannte Autorenduo Andrew Lloyd Webber und Tim Rice den unterschiedlichsten Geschmäckern des Publikums gerecht werden wollte, steht außer Frage: Die Songs, die sich nicht nur der Rockmusik widmen, sondern auch Elemente aus Soul, Gospel, Folk, ja sogar klassischer Avantgardemusik à la Ligeti aufgreifen, eröffnen zweifelsohne ein Potpourri, das für alle etwas bereithält – Balladen am Rande des Kitschs für die Zartbesaiteten, E-Gitarrenriffs und aggressive Gesangsausbrüche für die Fans des Classic Rock. Infolgedessen hat das Werk über die Jahre die unterschiedlichsten Personen angezogen: Angefangen bei Deep Purple-Leadsänger Ian Gillan haben seither Promis wie Agnetha Fältskog von ABBA, Mel C von den Spice Girls, R&B-Ikone John Legend und sogar das Rockgespenst Alice Cooper die Songs von Jesus Christ Superstar interpretiert.
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Klingt nach Kommerz? Ist es sicherlich auch! Doch darin einen Grund für die Herabstufung des Werkes zu sehen, wäre zu kurz gegriffen. Denn während die einen in Jesus Christ Superstar nur ein profitorientiertes Mitschwimmen auf der Jesus-Trendwelle der 70er sehen, ist es für die anderen das Werk, das die Passionsgeschichte überzeugend in die Neuzeit übertragen konnte. Diese These wurde im Übrigen sogar in Teilen von der Kirche selbst mitgetragen. Gewiss, die Strenggläubigen protestierten bei der Premiere des Stückes lauthals, dass die Göttlichkeit Jesu infrage gestellt und der Verräter Judas zum Helden stilisiert würde. Der Vatikan selbst reagierte jedoch prinzipiell gelassen, mehr noch, der Bischof von Southwark empfahl die Rockoper sogar wärmstens mit der Begründung, dass Jesus im Stück endlich »aus dem mittelalterlichen Kerker befreit« werde.
Vom Album zum Broadway
Tim Rice und Andrew Lloyd Webber haben also offensichtlich einen Nerv getroffen und wurden nach ihrem ersten Achtungserfolg mit Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat im Falle von Jesus Christ Superstar durchaus belohnt für ihr umsichtiges Vorgehen bei der Veröffentlichung: Lediglich einen Song – die titelgebende Nummer »Superstar« – gab das Duo zunächst als Single heraus. Rund um diesen Hit, gesungen vom Antagonisten Judas, bauten die Autoren schließlich die gesamte Rockoper als Konzeptalbum. Die dadurch entstandene Struktur des Stückes offenbart eine Aneinanderreihung von Songs ohne Zwischendialoge, was der originalen Bibelvorlage entgegenkommt. Denn auch die Texte des Evangeliums erweisen sich oft mehr als eine Reihe von Kurzgeschichten bzw. Gleichnissen und damit eben gerade nicht als lineare Darstellung von Jesu Leben.
Die Textfassung von Tim Rice zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass die Passionsgeschichte aus der Perspektive von Judas erzählt wird, sondern dass er alle vier Evangelien miteinander kombiniert und immer wieder mit frei erfundenen Szenen anreichert. Man denke nur an Pilatus’ berühmte Frage an Jesus aus dem Johannesevangelium: »Was ist Wahrheit?«. Bei Rice führt Pilatus diese Frage deutlich weiter aus, was einen erheblichen Einfluss auf die Charakterisierung seiner Person hat:
»But what is truth? Is truth unchanging law? We both have truths. Are mine the same as yours?« (»Aber was ist Wahrheit? Ist Wahrheit ein unveränderliches Gesetz? Wir haben beide Wahrheiten. Ist meine dieselbe wie deine?«)
Feinheiten wie diese kamen beim Publikum in jedem Fall gut an. Dass die Autoren Jesus Christ Superstar 1970 als Doppelalbum und eben gerade nicht als Bühnenstück veröffentlichten, erwies sich als goldrichtig. Denn insbesondere in den USA gingen die Verkaufszahlen durch die Decke, sodass das Werk 1971 – nur ein Jahr nach der Veröffentlichung des Konzeptalbums – direkt auf der großen Broadway-Bühne seine Uraufführung feiern konnte. Zwei Jahre später verewigte Norman Jewison das Stück schließlich auch auf der Kinoleinwand. Aus heutiger Sicht vermittelt diese Verfilmung einmal mehr das Paradoxe des Werks: Einerseits ist die Hippie-Optik des Films merklich aus der Zeit gefallen, andererseits zieht er die Zuschauenden dennoch in seinen Bann und verdeutlicht die Qualität des Stückes. Denn aller Kritik zum Trotz muss man anerkennen, dass die spannende und doch so kontroverse Jesus-Figur der Bibel durch die Rockoper sehr viel greifbarer wird. Dass das so gut funktioniert, liegt vor allem an der sehr menschlichen Darstellung der agierenden Bibelcharaktere.
Die Textfassung von Tim Rice zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass die Passionsgeschichte aus der Perspektive von Judas erzählt wird, sondern dass er alle vier Evangelien miteinander kombiniert und immer wieder mit frei erfundenen Szenen anreichert. Man denke nur an Pilatus’ berühmte Frage an Jesus aus dem Johannesevangelium: »Was ist Wahrheit?«. Bei Rice führt Pilatus diese Frage deutlich weiter aus, was einen erheblichen Einfluss auf die Charakterisierung seiner Person hat:
»But what is truth? Is truth unchanging law? We both have truths. Are mine the same as yours?« (»Aber was ist Wahrheit? Ist Wahrheit ein unveränderliches Gesetz? Wir haben beide Wahrheiten. Ist meine dieselbe wie deine?«)
Feinheiten wie diese kamen beim Publikum in jedem Fall gut an. Dass die Autoren Jesus Christ Superstar 1970 als Doppelalbum und eben gerade nicht als Bühnenstück veröffentlichten, erwies sich als goldrichtig. Denn insbesondere in den USA gingen die Verkaufszahlen durch die Decke, sodass das Werk 1971 – nur ein Jahr nach der Veröffentlichung des Konzeptalbums – direkt auf der großen Broadway-Bühne seine Uraufführung feiern konnte. Zwei Jahre später verewigte Norman Jewison das Stück schließlich auch auf der Kinoleinwand. Aus heutiger Sicht vermittelt diese Verfilmung einmal mehr das Paradoxe des Werks: Einerseits ist die Hippie-Optik des Films merklich aus der Zeit gefallen, andererseits zieht er die Zuschauenden dennoch in seinen Bann und verdeutlicht die Qualität des Stückes. Denn aller Kritik zum Trotz muss man anerkennen, dass die spannende und doch so kontroverse Jesus-Figur der Bibel durch die Rockoper sehr viel greifbarer wird. Dass das so gut funktioniert, liegt vor allem an der sehr menschlichen Darstellung der agierenden Bibelcharaktere.
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Rebel Yell
Hier wäre zuallererst Judas zu nennen, der im Gegensatz zu den Evangelien deutlich mehr Profil gewinnt. Bei Rice und Lloyd Webber ist Judas derjenige, der es sich herausnimmt, Jesus offen zu kritisieren und zu hinterfragen. Musikalisch lässt er sich weitestgehend dem Genre der Rockmusik zuordnen, wofür etwa das prägnante, wiederkehrende E-Gitarren-Riff zu Beginn des Songs »Heaven on their minds« steht. Mit seinem aggressiven und impulsiven Gesang wird aus Judas der eigentliche »Rockstar« des Stückes. Er artikuliert sich in der musikalischen Sprache der protestierenden Jugend der 70er, er steht für das Aufbäumen gegen etablierte Systeme, er spricht der jungen Generation aus der Seele. Zugleich überträgt sich durch ihn die Faszination an der Person Jesu: Denn die Begegnung mit Jesus stellt ihn und letztlich auch das Publikum zwangsläufig vor die Frage nach der Existenz Gottes. An dieser Frage zerbricht Judas – man kann bei Jesus schließlich nicht neutral bleiben und muss sich zum Glauben bekennen oder ihn ablehnen. Nachdem Judas begriffen hat, dass er durch seinen Verrat Jesu Tod zu verantworten hat, begeht er Selbstmord und kommt mit der berühmten Schlussnummer »Superstar« doch nochmals zu Wort. Der Text von Rice überträgt die Passionsgeschichte an dieser Stelle unmittelbar in die Gegenwart, setzt das Wirken Jesu in den Kontext anderer Weltreligionen und stellt im Refrain fast schon in musikalischer Schlager-Manier Fragen, die man nur zu gut nachempfinden kann:
»Jesus Christ, who are you? What have you sacriftced? Jesus Christ, Superstar, do you think you’re what they say you are?« (»Jesus Christus, wer bist du? Was hast du geopfert? Jesus Christus, Superstar, glaubst du, dass du der bist, für den man dich hält?«)
Der Jesus von Lloyd Webber und Rice bleibt hierauf eine Antwort schuldig, mehr noch, er hat womöglich überhaupt keine. Denn zweifellos ist er im Stück so verwundbar und fehlerhaft wie selten porträtiert. Seine Menschlichkeit zeigt sich vor allem in seinem widersprüchlichen Verhalten: Auf der einen Seite widmet er sich den gesellschaftlich Ausgestoßenen (Maria Magdalena), auf der anderen Seite ist er überfordert, wenn sie ihn in Massen um Heilung anflehen (»The Temple«). Zum einen befeuert er die Menge, die seine Person feiert (»Hosanna«), zum anderen ängstigt ihn der Fanatismus seiner Gefolgsleute (»Simon Zealotes« / »Poor Jerusalem«). Einerseits stiftet er Judas im Streit aktiv zum Verrat an (»The Last Supper«), andererseits macht ihn der Moment des Verrates trotzdem tieftraurig (»Judas, must you betray me with a kiss?«). Das Chaos seines Innenlebens zeigt sich am eindrucksvollsten im emotionalen Höhepunkt der Rockoper, dem Song »Gethsemane«: Die längste Solo-Nummer des Stückes entwickelt sich von einer melancholischen Ballade zu einer ekstatischen Rockhymne. Es ist eine sehr persönliche Auseinandersetzung zwischen Jesus und einem nicht antwortenden Gott, der man hier lauschen darf. Dieser Jesus will nicht einfach so in den Tod gehen, sondern hadert mit Gottes Vorbestimmung, mehr noch, er kritisiert und beschuldigt ihn sogar:
»Why then am I scared to ftnish what I started. What you started – I didn’t start it!« (»Warum habe ich Angst davor, zu beenden, was ich begonnen habe. Was du begonnen hast – ich habe es nicht begonnen!«)
Dieser aufblitzende rebellische Charakter schlägt die Brücke zu Judas: Beide sind Personen, die die äußeren Umstände nicht wortlos akzeptieren wollen – seien diese noch so biblisch in Stein gemeißelt. Beide hinterfragen Dinge und werden dadurch zum Sprachrohr der jungen Generation, die sich zur Entstehungszeit des Werkes ebenso aktiv gegen Vorschriften durch das sogenannte »Establishment« auflehnte. Dieses Establishment ist im Stück durch Charaktere wie Pilatus, Herodes oder die Hohepriester Hannas und Kajaphas dargestellt. Doch selbst bei diesen Figuren lässt das Stück Raum für Identifikation übrig. Denn auch sie zeigen uns nachvollziehbare menschliche Schwächen, mit denen man im Leben – ob man will oder nicht – immer wieder selbst zu kämpfen hat. Man kann verstehen, dass Pilatus trotz eigentlich überlegener Stellung als römischer Statthalter unter der brachialen Gewalt der Masse komplett einbricht. Aber rechtfertigt das sein Unschuldsbekenntnis an Jesu Tod? Kann er, der das Todesurteil spricht, wirklich nur die Masse zur Verantwortung ziehen?
»Jesus Christ, who are you? What have you sacriftced? Jesus Christ, Superstar, do you think you’re what they say you are?« (»Jesus Christus, wer bist du? Was hast du geopfert? Jesus Christus, Superstar, glaubst du, dass du der bist, für den man dich hält?«)
Der Jesus von Lloyd Webber und Rice bleibt hierauf eine Antwort schuldig, mehr noch, er hat womöglich überhaupt keine. Denn zweifellos ist er im Stück so verwundbar und fehlerhaft wie selten porträtiert. Seine Menschlichkeit zeigt sich vor allem in seinem widersprüchlichen Verhalten: Auf der einen Seite widmet er sich den gesellschaftlich Ausgestoßenen (Maria Magdalena), auf der anderen Seite ist er überfordert, wenn sie ihn in Massen um Heilung anflehen (»The Temple«). Zum einen befeuert er die Menge, die seine Person feiert (»Hosanna«), zum anderen ängstigt ihn der Fanatismus seiner Gefolgsleute (»Simon Zealotes« / »Poor Jerusalem«). Einerseits stiftet er Judas im Streit aktiv zum Verrat an (»The Last Supper«), andererseits macht ihn der Moment des Verrates trotzdem tieftraurig (»Judas, must you betray me with a kiss?«). Das Chaos seines Innenlebens zeigt sich am eindrucksvollsten im emotionalen Höhepunkt der Rockoper, dem Song »Gethsemane«: Die längste Solo-Nummer des Stückes entwickelt sich von einer melancholischen Ballade zu einer ekstatischen Rockhymne. Es ist eine sehr persönliche Auseinandersetzung zwischen Jesus und einem nicht antwortenden Gott, der man hier lauschen darf. Dieser Jesus will nicht einfach so in den Tod gehen, sondern hadert mit Gottes Vorbestimmung, mehr noch, er kritisiert und beschuldigt ihn sogar:
»Why then am I scared to ftnish what I started. What you started – I didn’t start it!« (»Warum habe ich Angst davor, zu beenden, was ich begonnen habe. Was du begonnen hast – ich habe es nicht begonnen!«)
Dieser aufblitzende rebellische Charakter schlägt die Brücke zu Judas: Beide sind Personen, die die äußeren Umstände nicht wortlos akzeptieren wollen – seien diese noch so biblisch in Stein gemeißelt. Beide hinterfragen Dinge und werden dadurch zum Sprachrohr der jungen Generation, die sich zur Entstehungszeit des Werkes ebenso aktiv gegen Vorschriften durch das sogenannte »Establishment« auflehnte. Dieses Establishment ist im Stück durch Charaktere wie Pilatus, Herodes oder die Hohepriester Hannas und Kajaphas dargestellt. Doch selbst bei diesen Figuren lässt das Stück Raum für Identifikation übrig. Denn auch sie zeigen uns nachvollziehbare menschliche Schwächen, mit denen man im Leben – ob man will oder nicht – immer wieder selbst zu kämpfen hat. Man kann verstehen, dass Pilatus trotz eigentlich überlegener Stellung als römischer Statthalter unter der brachialen Gewalt der Masse komplett einbricht. Aber rechtfertigt das sein Unschuldsbekenntnis an Jesu Tod? Kann er, der das Todesurteil spricht, wirklich nur die Masse zur Verantwortung ziehen?
Sanna ho, Sanna hey, Superstar!
Die besagte Masse verdeutlicht wiederum die Schnelllebigkeit von Starkulten und Massentrends: Innerhalb von nur einer Woche wandelt sich die Begeisterung der Menge vom »Hosanna«-Jubel zu einer hetzerischen »Kreuzigt ihn«-Parole. Kaum hätte man besser darstellen können, dass die anfängliche Euphorie der Masse nichts mit einer aufrichtigen Überzeugung für Jesu Mission zu tun hatte, sondern vielmehr mit oberflächlicher Sensationslust. Paradebeispiel für diese Gier nach Entertainment ist die Rolle des Herodes, der in Jesus nur eine Art Kunststücke vollführendes Zirkusäffchen sieht. Aber auch die Jünger Jesu selbst offenbaren im Stück eindrucksvoll, wie wenig sie das Handeln ihres Anführers verstehen. In schönster Gotteslob-Manier posaunen sie beim letzten Abendmahl ihre egoistischen Intentionen ganz unverblümt heraus:
»Always hoped that I’d be an apostle, knew that I would make it if I tried. Then when we retire we can write the gospels, so they’ll still talk about us when we’ve died.« (»Ich wollte immer Apostel werden, ich wusste, dass ich es schaffe, wenn ich es versuche. Später, wenn wir uns zur Ruhe setzen, schreiben wir die Evangelien, dann spricht man noch über uns, wenn wir gestorben sind.«)
Wie wenig Rückhalt Jesus von seinen Aposteln am Ende erhält, zeigt sich darin, dass sie allesamt einschlafen, wenn er sie am dringendsten bräuchte (»Will no one stay awake with me?« – »Bleibt keiner mit mir wach?«). Noch deutlicher wird es in der dreimaligen Verleugnung durch Petrus.
»Always hoped that I’d be an apostle, knew that I would make it if I tried. Then when we retire we can write the gospels, so they’ll still talk about us when we’ve died.« (»Ich wollte immer Apostel werden, ich wusste, dass ich es schaffe, wenn ich es versuche. Später, wenn wir uns zur Ruhe setzen, schreiben wir die Evangelien, dann spricht man noch über uns, wenn wir gestorben sind.«)
Wie wenig Rückhalt Jesus von seinen Aposteln am Ende erhält, zeigt sich darin, dass sie allesamt einschlafen, wenn er sie am dringendsten bräuchte (»Will no one stay awake with me?« – »Bleibt keiner mit mir wach?«). Noch deutlicher wird es in der dreimaligen Verleugnung durch Petrus.
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Einzig Maria Magdalena fällt aus diesem Muster heraus. Mit ihren Balladen »Everything’s alright« und »I don’t know how to love him« reiht sie sich musikalisch in den Folk-Stil einer Joan Baez ein, bemerkt neben Judas als Einzige die Überforderung von Jesus, spendet im schwelgenden 5/4-Takt wahren Trost, wird jedoch auch belastet von den Gefühlen, die sie für Jesus empfindet. Der Affront einer körperlichen Beziehung zwischen Jesus und ihr wird angedeutet, allerdings nicht ausgesprochen – Tim Rice widersprach sogar ausdrücklich, dass es im Stück eine »Affäre zwischen den beiden« gegeben habe.
Die Auferstehung des Judas
So wird die potenzielle Romanze zwischen Maria und Jesus letztlich überschattet von der herzergreifenden »Bromance« zwischen Judas und Jesus. Das letzte gesungene Wort der Rockoper gebührt Judas, das letzte gesprochene Jesus – die Ostergeschichte wurde von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice nicht mehr behandelt, einzig das tieftraurige Instrumentalstück »John 19:41« beschließt das Werk. Der 41. Vers aus dem 19. Kapitel des Johannes-Evangeliums lautet nach der Einheitsübersetzung:
»An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war.«
Nicht von der Erlösung ist hier die Rede, sondern lediglich von der Grablegung. So klingen die Zweifel von Judas, ob es das Ganze wirklich wert war, beim Publikum nach. Judas und nicht Jesus war mit dem Song »Superstar« eine Auferstehung vergönnt. Jesu letzte Worte am Kreuz werfen zwar einen kleinen Hoffnungsschimmer, traurig ist sein Tod dennoch. Ob er der Menschheit die Erlösung bringen konnte, bleibt als drängende Frage im Raum stehen. Dass Jesus Christ Superstar eine klare Positionierung bewusst verweigert, ist an sich nichts Außergewöhnliches, sehr wohl aber, dass das Stück dazu motiviert, sich mit solch essenziellen Glaubensfragen auseinanderzusetzen. Jesus Christ Superstar ist eben doch weitaus mehr als ein kommerzielles Musical. Es ist ein Stück, das uns dazu bringt, die Passionsgeschichte in ihrer religiösen, politischen und gesellschaftlichen Dimension zu reflektieren, ob man nun gläubig ist oder nicht. So werden wir uns wohl auch in Zukunft noch lange nicht satthören und -sehen an dieser Rockoper. In diesem Sinne: Let it rock!
»An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war.«
Nicht von der Erlösung ist hier die Rede, sondern lediglich von der Grablegung. So klingen die Zweifel von Judas, ob es das Ganze wirklich wert war, beim Publikum nach. Judas und nicht Jesus war mit dem Song »Superstar« eine Auferstehung vergönnt. Jesu letzte Worte am Kreuz werfen zwar einen kleinen Hoffnungsschimmer, traurig ist sein Tod dennoch. Ob er der Menschheit die Erlösung bringen konnte, bleibt als drängende Frage im Raum stehen. Dass Jesus Christ Superstar eine klare Positionierung bewusst verweigert, ist an sich nichts Außergewöhnliches, sehr wohl aber, dass das Stück dazu motiviert, sich mit solch essenziellen Glaubensfragen auseinanderzusetzen. Jesus Christ Superstar ist eben doch weitaus mehr als ein kommerzielles Musical. Es ist ein Stück, das uns dazu bringt, die Passionsgeschichte in ihrer religiösen, politischen und gesellschaftlichen Dimension zu reflektieren, ob man nun gläubig ist oder nicht. So werden wir uns wohl auch in Zukunft noch lange nicht satthören und -sehen an dieser Rockoper. In diesem Sinne: Let it rock!
#KOBJesus
22. September 2025
John Arthur Greene meistert als Jesus von Nazareth die gewaltige Range der Rolle mit Sanftheit und Würde. Seinen Verzweiflungsschrei in »Gethsemane« (hohes G) liefert er so lyrisch, clean und kraftvoll, dass man den Ton als Einrichtungsgegenstand mit nach Hause nehmen könnte…
Die musikalisch-emotionale Spannung hält über die volle Länge der gut anderthalbstündigen Show. Das Publikum belohnt mit Füßetrommeln und Standing Ovations… ein hochwertiger Crowdpleaser
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Peter Weissenburger, taz
Jesus, der hochwertige Crowdpleaser
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20. September 2025
Musikalisch eine umwerfend perfekte Produktion. Bewundernswert, was für einen fetten Sound das Tontechnikteam um Holger Schwark aus den Boxen zaubert... Unglaublich, was für eine Energie von der tanzenden, singenden, klatschenden Menge ausgeht... absolut mitreißend. Wie gerne würde man seine Beobachterposition aufgeben, um dazuzustoßen, Teil der Massenbewegung da unten zu werden...
Fantastische Stimmen bietet die Premierenbesetzung: Ilay Bal Arslan ist eine betörende Maria Magdalena, Sasha Di Capri reißt sich als Judas vokal förmlich die Brust auf, John Arthur Greenes Jesus schickt hymnische Töne in himmlische Höhen. Und Jörn-Felix Alt holt das Maximum heraus aus dem Abräumer-Auftritt des Herodes.
Fantastische Stimmen bietet die Premierenbesetzung: Ilay Bal Arslan ist eine betörende Maria Magdalena, Sasha Di Capri reißt sich als Judas vokal förmlich die Brust auf, John Arthur Greenes Jesus schickt hymnische Töne in himmlische Höhen. Und Jörn-Felix Alt holt das Maximum heraus aus dem Abräumer-Auftritt des Herodes.
Frederik Hanssen, Der Tagesspiegel
Saisoneröffnung der Komischen Oper mit »Jesus Christ Superstar«: Der Broadway liegt ab sofort in Tempelhof
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20. September 2025
Der Broadway liegt ab sofort in Tempelhof
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19. September 2025
Hier stimmt alles. Regie. Bühnenbild. Licht. Das Orchester unter Koen Schoots. Vor allem aber die Sänger… Eigentlich ist dieses Musical ein einziges Muss. Und ein großartiger Auftakt für die Komische Oper in die neue Spielzeit.
Peter Zander, Berliner Morgenpost
»Jesus Christ Superstar«: Der Messias hebt im Flughafen ab
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16. September 2025
Mit Betonung auf Rock
Ein Gespräch mit Dirigent Koen Schoots über bodenständige Rockmusik, lange Nachhallzeiten und ikonische Pink Floyd-T-Shirts
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Interview
15. September 2025
Christ in Concert
Ein Gespräch mit Regisseur Andreas Homoki über eine zeitlose Geschichte, ein inszeniertes Rockkonzert und die Beziehung zwischen Snape und Dumbledore
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10. März 2025
Von der Herrschaft der Sprache zur Macht der Musik
Wie überträgt man den britischen Dialekt von My fair Lady ins Deutsche? Andreas Homoki findet die Antwort im Berlinischen, das wie das Cockney des Londoner East End soziale Grenzen markiert. Seine Inszenierung zeigt, dass Sprache nicht nur verbindet, sondern auch ausschließt – und wie sich soziale Aufstiege und Machtverhältnisse allein durch die richtigen Worte formen. My fair Lady macht aus diesem Klassenkampf ums 'richtige Sprechen' eine heitere Persiflage. Überzeichnet stellt Andreas Homokis Inszenierung die Frage: Lässt sich der Klassenkampf mit dem richtigem Sprachgefühl beenden? Ein Gespräch über die subtile Gewalt der Sprache, über Dialekt als soziales Stigma und darüber, warum der feine Stil der Oberschicht nichts wert ist, wenn man ihn mit den „falschen“ Worten trägt.
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Interview
