© Jan Windszus Photography
Christ in Concert
Ein Gespräch mit Regisseur Andreas Homoki über eine zeitlose Geschichte, ein inszeniertes Rockkonzert und die Beziehung zwischen Snape und Dumbledore
Jesus Christ Superstar wird seit über 50 Jahren weltweit mit großem Erfolg aufgeführt. Wie erklärst Du Dir die große Begeisterung für diese Rockoper?
Andreas Homoki: Ich glaube, es liegt daran, dass es einfach eine wahnsinnig gute Geschichte ist, die uns vor allem in unserem Kulturkreis sehr beschäftigt. Durch die Autoren Andrew Lloyd Webber und Tim Rice wurde sie ganz neu interpretiert und dadurch griffiger. Die Passionsgeschichte wird nicht einfach so vorausgesetzt und heruntererzählt, sondern es werden die Konflikte offengelegt – die Geschichte ist spannend erzählt, mit tollen Figuren. Als ich das Stück als Teenager kennenlernte, wusste ich natürlich nicht, dass ich irgendwann einmal Opern inszenieren würde, aber ich habe schon damals sehr stark in diese Figuren hineingehört und mochte die unterschiedlichen Profile – besonders Pilatus.
Andreas Homoki: Ich glaube, es liegt daran, dass es einfach eine wahnsinnig gute Geschichte ist, die uns vor allem in unserem Kulturkreis sehr beschäftigt. Durch die Autoren Andrew Lloyd Webber und Tim Rice wurde sie ganz neu interpretiert und dadurch griffiger. Die Passionsgeschichte wird nicht einfach so vorausgesetzt und heruntererzählt, sondern es werden die Konflikte offengelegt – die Geschichte ist spannend erzählt, mit tollen Figuren. Als ich das Stück als Teenager kennenlernte, wusste ich natürlich nicht, dass ich irgendwann einmal Opern inszenieren würde, aber ich habe schon damals sehr stark in diese Figuren hineingehört und mochte die unterschiedlichen Profile – besonders Pilatus.
Jesus Christ Superstar
Gesangstexte von Tim Rice
Musik von Andrew Lloyd Webber
Uraufführung am 12. Oktober 1971
im Mark Hellinger Theatre in New York City
Dabei ist Pilatus derjenige, der Jesus zum Tode verurteilt. Warum hat gerade er Dich so interessiert?
Andreas Homoki: Weil Pilatus eine unglaubliche Reise durchmacht. Er ist von der Funktion her der arrogante, machtbewusste Stellvertreter Roms in Judäa. Seine Begegnung mit Jesus ist aber von Anfang an mit einer großen Irritation verbunden, die ihm bereits in einem Traum vorweggenommen wird. Wenn er Jesus dann real begegnet, merkt er, dass das ein außerordentlich interessanter Mensch ist und dass die Leute, die seine Hinrichtung wollen, keinen Grund dazu haben. Er versucht eigentlich alles, um Jesus zu retten – aber Jesus hilft ihm nicht. Mehrmals fordert er Jesus auf, mit ihm zu sprechen und ihm zu sagen, was er tun soll, aber letztlich bleibt er erfolglos. Pilatus ist eine Figur der Weltgeschichte, die stellvertretend für das große Scheitern des Menschen steht. Es ist berührend, wie er das durchlebt. Die Autoren haben da sicher sehr viel hineininterpretiert – für den wirklichen, den historischen Pilatus war es wahrscheinlich keine große Sache, Jesu Todesurteil zu sprechen. Hier ist es das aber schon, hier fühlen wir sehr stark in ihn hinein. Das fand ich damals schon toll.
Andreas Homoki: Weil Pilatus eine unglaubliche Reise durchmacht. Er ist von der Funktion her der arrogante, machtbewusste Stellvertreter Roms in Judäa. Seine Begegnung mit Jesus ist aber von Anfang an mit einer großen Irritation verbunden, die ihm bereits in einem Traum vorweggenommen wird. Wenn er Jesus dann real begegnet, merkt er, dass das ein außerordentlich interessanter Mensch ist und dass die Leute, die seine Hinrichtung wollen, keinen Grund dazu haben. Er versucht eigentlich alles, um Jesus zu retten – aber Jesus hilft ihm nicht. Mehrmals fordert er Jesus auf, mit ihm zu sprechen und ihm zu sagen, was er tun soll, aber letztlich bleibt er erfolglos. Pilatus ist eine Figur der Weltgeschichte, die stellvertretend für das große Scheitern des Menschen steht. Es ist berührend, wie er das durchlebt. Die Autoren haben da sicher sehr viel hineininterpretiert – für den wirklichen, den historischen Pilatus war es wahrscheinlich keine große Sache, Jesu Todesurteil zu sprechen. Hier ist es das aber schon, hier fühlen wir sehr stark in ihn hinein. Das fand ich damals schon toll.
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Nun sind die 1970er Jahre lange vorbei und die Rockmusik von damals hat heutzutage an Stellenwert eingebüßt. Ist Jesus Christ Superstar denn noch auf der Höhe unserer Zeit?
Andreas Homoki: Auf jeden Fall, denn der Inhalt des Stückes ist zeitlos. Es geht darum, wie sich eine Gesellschaft als Masse in der Verehrung und ebenso im Fallenlassen – heute würde man sagen im »Canceln« – einer Führungsfigur verhält. Dieses Thema ist aktueller denn je, wenn man sich anschaut, wie manche Leute durch Social Media ohne großen Aufwand in kurzer Zeit populär werden, aber genauso schnell wieder abstürzen. Das ist der Kern der Geschichte. Man sieht es sinnbildlich in den »Hosanna«- und »Kreuzigt ihn«-Rufen der Menge – diese Entwicklung vollzieht sich innerhalb von nur fünf Tagen. Auch das Thema der Fremdherrschaft und wie man sich gegen sie als unterdrückte Gesellschaft wehrt, lässt sich auf vielfältige Weise in die heutige Zeit übertragen, mit ihren beängstigenden totalitären Entwicklungen. Wie verhält man sich zu einer Diktatur? Jesus hat eine große Ausstrahlung und entwickelt sich zu einem Idol und einer Führungsfigur für viele unterdrückte Menschen. Doch je größer diese Gruppe von Menschen wird, desto vielfältiger werden die Ansprüche und desto schwieriger wird es für Jesus, den Wünschen zu entsprechen. Die extremste Haltung innerhalb seiner Gefolgschaft wird artikuliert durch Simon, der die Kraft der Bewegung gegen Rom lenken und eine Revolution anzetteln möchte. Jesus hingegen widerspricht dieser Ansicht und gibt zu verstehen, dass seine Beweggründe andere sind. Er will nicht die Führungsfigur sein, die man von ihm erwartet. Er will nicht als eine Art Parteiführer die Leute auf Linie bringen. Er will die Auflösung von hierarchischen Strukturen. Er sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, dann wird alles gut. Er ist auf einer Mission, die weit über konkrete Herrschaftsprinzipien hinausgeht. Und deswegen scheitert er auch, weil die Leute das nicht verstehen.
Viele sehen in seinem Gegenspieler Judas den heimlichen Protagonisten des Stückes und meinen, dass die Rockoper eigentlich »Judas Iscariot Superstar« heißen müsste. Wie siehst Du diese Figur?
Andreas Homoki: Ich glaube, das ist tatsächlich neu gewesen in den 70ern, dass Judas so ein starkes Profil bekommt. Man versteht seine Motivationen, er ist nicht einfach nur derjenige der zwölf Jünger, der Jesus verrät. Rice und Lloyd Webber zeigen uns, was passiert, wenn es innerhalb einer Gruppe zu unterschiedlichen Auffassungen kommt. Judas ist wahrscheinlich Jesu engster Vertrauter. Es wird zwar nicht explizit ausgesprochen, aber seine Textzeile »I’ve been your right hand man all along« (»Ich war immer deine
rechte Hand«) legt es nahe. Die Vorstellungen der beiden gehen mit der Zeit aber zu stark auseinander. Judas verrät Jesus, weil er Angst davor hat, dass die römische Besatzung die ganze Bewegung auslöschen wird, wenn es so weitergeht wie bislang. Die Bewegung stört das System, wird aber nicht dazu benutzt, um das System umzustürzen, und deswegen ist sich Judas sicher, dass das gemeinsame Ziel zum Scheitern verurteilt ist. Schlussendlich ist Judas im Stück derjenige, der agiert, während Jesus reagiert. Jesus ist eine passive Figur, den Eindruck hat man immer wieder auch in der Bibel. Wenn ihm jemand eine Frage stellt, dann antwortet er in rätselhaften Gleichnissen – man kann Jesus einfach nicht greifen. Letztlich ist es ein Machtkampf innerhalb der Gruppe. Judas versucht mehrmals, innerhalb der Jünger Gegenposition zu beziehen, nicht wirklich sachlich, aber man sieht es zum Beispiel, wenn er sich über Maria Magdalena und ihre teure Salbe beschwert. Er stört sich an Kleinigkeiten – Judas und Jesus wirken häufig wie zwei Menschen in einer Ehekrise. Man merkt, dass sie eine lange Beziehung haben, und deshalb liegt auch so eine große Traurigkeit darin, wenn es letztlich zum Bruch kommt. Ich versuche das auch in meiner Inszenierung herauszustellen: Einerseits am Ende von »Gethsemane«, wenn Judas Jesus diesen mysteriösen Kuss gibt, den man nicht versteht. Anderseits findet bei mir auch am Ende von Judas’ Tod eine Begegnung mit Jesus statt. Ich visualisiere immer wieder über Blicke eine Art merkwürdiges Einverständnis über das, was passieren muss. Das ist ein interessantes literarisches Motiv, das uns sogar in Geschichten wie Harry Potter wiederbegegnet: Auch dort muss Snape Dumbledore töten für das größere Ganze – eine tragische Verstrickung, die sehr berührend ist.
Andreas Homoki: Auf jeden Fall, denn der Inhalt des Stückes ist zeitlos. Es geht darum, wie sich eine Gesellschaft als Masse in der Verehrung und ebenso im Fallenlassen – heute würde man sagen im »Canceln« – einer Führungsfigur verhält. Dieses Thema ist aktueller denn je, wenn man sich anschaut, wie manche Leute durch Social Media ohne großen Aufwand in kurzer Zeit populär werden, aber genauso schnell wieder abstürzen. Das ist der Kern der Geschichte. Man sieht es sinnbildlich in den »Hosanna«- und »Kreuzigt ihn«-Rufen der Menge – diese Entwicklung vollzieht sich innerhalb von nur fünf Tagen. Auch das Thema der Fremdherrschaft und wie man sich gegen sie als unterdrückte Gesellschaft wehrt, lässt sich auf vielfältige Weise in die heutige Zeit übertragen, mit ihren beängstigenden totalitären Entwicklungen. Wie verhält man sich zu einer Diktatur? Jesus hat eine große Ausstrahlung und entwickelt sich zu einem Idol und einer Führungsfigur für viele unterdrückte Menschen. Doch je größer diese Gruppe von Menschen wird, desto vielfältiger werden die Ansprüche und desto schwieriger wird es für Jesus, den Wünschen zu entsprechen. Die extremste Haltung innerhalb seiner Gefolgschaft wird artikuliert durch Simon, der die Kraft der Bewegung gegen Rom lenken und eine Revolution anzetteln möchte. Jesus hingegen widerspricht dieser Ansicht und gibt zu verstehen, dass seine Beweggründe andere sind. Er will nicht die Führungsfigur sein, die man von ihm erwartet. Er will nicht als eine Art Parteiführer die Leute auf Linie bringen. Er will die Auflösung von hierarchischen Strukturen. Er sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, dann wird alles gut. Er ist auf einer Mission, die weit über konkrete Herrschaftsprinzipien hinausgeht. Und deswegen scheitert er auch, weil die Leute das nicht verstehen.
Viele sehen in seinem Gegenspieler Judas den heimlichen Protagonisten des Stückes und meinen, dass die Rockoper eigentlich »Judas Iscariot Superstar« heißen müsste. Wie siehst Du diese Figur?
Andreas Homoki: Ich glaube, das ist tatsächlich neu gewesen in den 70ern, dass Judas so ein starkes Profil bekommt. Man versteht seine Motivationen, er ist nicht einfach nur derjenige der zwölf Jünger, der Jesus verrät. Rice und Lloyd Webber zeigen uns, was passiert, wenn es innerhalb einer Gruppe zu unterschiedlichen Auffassungen kommt. Judas ist wahrscheinlich Jesu engster Vertrauter. Es wird zwar nicht explizit ausgesprochen, aber seine Textzeile »I’ve been your right hand man all along« (»Ich war immer deine
rechte Hand«) legt es nahe. Die Vorstellungen der beiden gehen mit der Zeit aber zu stark auseinander. Judas verrät Jesus, weil er Angst davor hat, dass die römische Besatzung die ganze Bewegung auslöschen wird, wenn es so weitergeht wie bislang. Die Bewegung stört das System, wird aber nicht dazu benutzt, um das System umzustürzen, und deswegen ist sich Judas sicher, dass das gemeinsame Ziel zum Scheitern verurteilt ist. Schlussendlich ist Judas im Stück derjenige, der agiert, während Jesus reagiert. Jesus ist eine passive Figur, den Eindruck hat man immer wieder auch in der Bibel. Wenn ihm jemand eine Frage stellt, dann antwortet er in rätselhaften Gleichnissen – man kann Jesus einfach nicht greifen. Letztlich ist es ein Machtkampf innerhalb der Gruppe. Judas versucht mehrmals, innerhalb der Jünger Gegenposition zu beziehen, nicht wirklich sachlich, aber man sieht es zum Beispiel, wenn er sich über Maria Magdalena und ihre teure Salbe beschwert. Er stört sich an Kleinigkeiten – Judas und Jesus wirken häufig wie zwei Menschen in einer Ehekrise. Man merkt, dass sie eine lange Beziehung haben, und deshalb liegt auch so eine große Traurigkeit darin, wenn es letztlich zum Bruch kommt. Ich versuche das auch in meiner Inszenierung herauszustellen: Einerseits am Ende von »Gethsemane«, wenn Judas Jesus diesen mysteriösen Kuss gibt, den man nicht versteht. Anderseits findet bei mir auch am Ende von Judas’ Tod eine Begegnung mit Jesus statt. Ich visualisiere immer wieder über Blicke eine Art merkwürdiges Einverständnis über das, was passieren muss. Das ist ein interessantes literarisches Motiv, das uns sogar in Geschichten wie Harry Potter wiederbegegnet: Auch dort muss Snape Dumbledore töten für das größere Ganze – eine tragische Verstrickung, die sehr berührend ist.
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Wo Du gerade die Inszenierung ansprichst: Du hast Dich in Deinem Regiekonzept dazu entschieden, das Stück wie eine Art Rockkonzert in Szene zu setzen. Wie kam es zu diesem Einfall?
Andreas Homoki: Mit meinem Bühnenbildner Philipp Stölzl, der ja selbst ein profilierter Regisseur ist, habe ich mir bewusst einen sehr starken Partner ausgesucht, der bereits sehr viele großartige Musikvideos und Tourneen produziert und ausgestattet hat – von Madonna bis Marius Müller-Westernhagen. Wir haben sehr früh festgestellt, dass wir Rockmusik eigentlich auch in der ursprünglichen Form darbieten wollen, nämlich als Rockkonzert. Dann merkten wir, dass das Rockkonzert eine Situation widerspiegelt und variiert, wie sie immer wieder im Stück vorkommt: Eine Figur steht im Mittelpunkt, und eine Gruppe von Menschen verhält sich dazu. Ob es nun Jesus ist, der verehrt oder eben angegriffen wird, oder Pilatus, der als Herrscher hereinkommt. Dieses Prinzip »Publikum und Performer« ist anwendbar auf verschiedene Weisen. Mal ist auf unserer Bühne nur eine Person zu sehen, die hereinkommt und einen Song singt, zu dem alle anderen tanzen.
Manchmal gibt es zwei Figuren, die auf der Konzertbühne in eine dialogische Form treten, während die Leute zuschauen wie im Theater. Und manchmal gibt es Situationen, wo eine Figur plötzlich direkt mit der Menge kommuniziert, von ihr hochgehoben oder fallengelassen wird. Wir machen eigentlich episches Theater wie Brecht. Dazu passt, dass Jesus Christ Superstar zunächst nicht für die Bühne konzipiert wurde. Es gibt hier keine Regieanweisungen, sondern nur eine Reihe von Songs. Es war ursprünglich ein Konzeptalbum und zeigt daher eigentlich eine oratorische Form. Und die verträgt so ein Regiekonzept natürlich sehr gut.
Andreas Homoki: Mit meinem Bühnenbildner Philipp Stölzl, der ja selbst ein profilierter Regisseur ist, habe ich mir bewusst einen sehr starken Partner ausgesucht, der bereits sehr viele großartige Musikvideos und Tourneen produziert und ausgestattet hat – von Madonna bis Marius Müller-Westernhagen. Wir haben sehr früh festgestellt, dass wir Rockmusik eigentlich auch in der ursprünglichen Form darbieten wollen, nämlich als Rockkonzert. Dann merkten wir, dass das Rockkonzert eine Situation widerspiegelt und variiert, wie sie immer wieder im Stück vorkommt: Eine Figur steht im Mittelpunkt, und eine Gruppe von Menschen verhält sich dazu. Ob es nun Jesus ist, der verehrt oder eben angegriffen wird, oder Pilatus, der als Herrscher hereinkommt. Dieses Prinzip »Publikum und Performer« ist anwendbar auf verschiedene Weisen. Mal ist auf unserer Bühne nur eine Person zu sehen, die hereinkommt und einen Song singt, zu dem alle anderen tanzen.
Manchmal gibt es zwei Figuren, die auf der Konzertbühne in eine dialogische Form treten, während die Leute zuschauen wie im Theater. Und manchmal gibt es Situationen, wo eine Figur plötzlich direkt mit der Menge kommuniziert, von ihr hochgehoben oder fallengelassen wird. Wir machen eigentlich episches Theater wie Brecht. Dazu passt, dass Jesus Christ Superstar zunächst nicht für die Bühne konzipiert wurde. Es gibt hier keine Regieanweisungen, sondern nur eine Reihe von Songs. Es war ursprünglich ein Konzeptalbum und zeigt daher eigentlich eine oratorische Form. Und die verträgt so ein Regiekonzept natürlich sehr gut.
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Kann es nicht aber auch eine Herausforderung sein, diese Songstruktur mit ihren plötzlichen Szenenwechseln theatral umzusetzen?
Andreas Homoki: Ich liebe diese Brüche und dieses direkte Aufeinanderfolgen von unterschiedlichen Situationen. Naturalistisches Inszenieren interessiert mich null. Ich versuche immer bei allen Stücken, auch wenn sie eher naturalistisch konzipiert sind, die Bühnensituation so zu reduzieren, dass es ausschließlich um die Beziehung der Menschen geht, also die Verbindung zwischen den Figuren in einer Szene. Von daher kommt mir so eine brüchige Form entgegen, wenn Szenen nahtlos ineinander übergehen und beispielsweise ein Solist am Ende einer Szene auf der Bühne zurückbleibt und plötzlich durch die Tanzgruppe der nächsten Szene von der Bühne verdrängt wird. Dadurch entstehen schöne Kontraste.
Nun ist die Passionsgeschichte voll von Symbolen wie Palmzweigen, 30 Silberlingen, dem Kelch, der Dornenkrone und natürlich dem Kreuz. In Deinem Rockkonzert ist davon zumeist weniger zu sehen …
Andreas Homoki: Ich denke, dass das bei uns nicht notwendig ist. Da die Setzung wie ein Oratorium ist, möchte ich szenisch gar nicht allzu konkret werden. Wir wollen das Stück mit den Mitteln des Konzertes auf die Bühne bringen und erarbeiten das Geschehen aus der Kraft der innewohnenden Dramaturgie – plötzlich entsteht ein Dialog, plötzlich entsteht etwas aus dem Konzert heraus. In diesem Konzept wäre es falsch gewesen, die Sachen über irgendwelche vordergründigen Mittel zu erzählen. Wenn Jesus verhaftet wird, dann möchte ich nicht drei bewaffnete Statisten sehen, die ihn abführen, sondern Jesus selbst realisiert die hasserfüllten Schreie der Meute, reagiert auf diese und beschreitet seinen Weg. Das ist ein politischer Vorgang – er spürt, dass der Rückhalt schwindet und geht. Man braucht hier keine Gewalt. Erich Honecker wurde abgesetzt per Abstimmung am Tisch, da gab es eine Änderung der Tagesordnung, und die Absetzung wurde entschieden. Solche Vorgänge finde ich spannend, wenn Politik sichtbar wird – wie entsteht Führung und wie wird Führung abgelöst.
Ganz wesentlich für Dein Konzept sind natürlich auch die »Superstars« – ein mehrere hundert Personen umfassendes Projekt-Tanzensemble, das in Deiner Inszenierung entscheidend mitwirkt. In dieser Größenordnung wurde das Stück vermutlich noch nie aufgeführt. Wie kam es zu dieser Idee?
Andreas Homoki: Dass unsere Inszenierung partizipativ sein sollte, war tatsächlich schon in der Aufgabenstellung der Komischen Oper Berlin vorgegeben. Nach dem MESSIAS in der vergangenen Spielzeit, bei dem ein riesiger Chor mit mehreren hundert Person mitspielte, sollte diese Idee nun mit einem Projekt-Tanzensemble fortgeführt werden. Das Regiekonzept eines inszenierten Rockkonzertes hätten wir uns wohl nie überlegt, ohne zu wissen, dass wir diese vielen Leute einsetzen können. Für mich ist es wunderbar, weil ich die Arbeit mit großen Menschengruppen liebe. In einer gut gebauten Massenszene im Theater gibt es im Kernbereich eine Soloszene und den Chor – die Menschen, die zuschauen, reagieren, Stellung beziehen, intervenieren. Es ist wie im antiken Drama: Der Chor reflektiert das Geschehen und verstärkt es. Eine dramatische Auseinandersetzung mit den Figuren ist immer stärker, wenn man sie mit einem Chor oder in unserem Fall einem tanzenden Kollektiv multiplizieren kann. Es ist ein unglaubliches Gemeinschaftserlebnis und es freut mich sehr, eine Inszenierung in diesem beeindruckenden Maßstab auf die Bühne zu bringen. Diese 350 Menschen bringen eine ungeheure Energie und Begeisterung mit, die uns alle ansteckt.
Andreas Homoki: Ich liebe diese Brüche und dieses direkte Aufeinanderfolgen von unterschiedlichen Situationen. Naturalistisches Inszenieren interessiert mich null. Ich versuche immer bei allen Stücken, auch wenn sie eher naturalistisch konzipiert sind, die Bühnensituation so zu reduzieren, dass es ausschließlich um die Beziehung der Menschen geht, also die Verbindung zwischen den Figuren in einer Szene. Von daher kommt mir so eine brüchige Form entgegen, wenn Szenen nahtlos ineinander übergehen und beispielsweise ein Solist am Ende einer Szene auf der Bühne zurückbleibt und plötzlich durch die Tanzgruppe der nächsten Szene von der Bühne verdrängt wird. Dadurch entstehen schöne Kontraste.
Nun ist die Passionsgeschichte voll von Symbolen wie Palmzweigen, 30 Silberlingen, dem Kelch, der Dornenkrone und natürlich dem Kreuz. In Deinem Rockkonzert ist davon zumeist weniger zu sehen …
Andreas Homoki: Ich denke, dass das bei uns nicht notwendig ist. Da die Setzung wie ein Oratorium ist, möchte ich szenisch gar nicht allzu konkret werden. Wir wollen das Stück mit den Mitteln des Konzertes auf die Bühne bringen und erarbeiten das Geschehen aus der Kraft der innewohnenden Dramaturgie – plötzlich entsteht ein Dialog, plötzlich entsteht etwas aus dem Konzert heraus. In diesem Konzept wäre es falsch gewesen, die Sachen über irgendwelche vordergründigen Mittel zu erzählen. Wenn Jesus verhaftet wird, dann möchte ich nicht drei bewaffnete Statisten sehen, die ihn abführen, sondern Jesus selbst realisiert die hasserfüllten Schreie der Meute, reagiert auf diese und beschreitet seinen Weg. Das ist ein politischer Vorgang – er spürt, dass der Rückhalt schwindet und geht. Man braucht hier keine Gewalt. Erich Honecker wurde abgesetzt per Abstimmung am Tisch, da gab es eine Änderung der Tagesordnung, und die Absetzung wurde entschieden. Solche Vorgänge finde ich spannend, wenn Politik sichtbar wird – wie entsteht Führung und wie wird Führung abgelöst.
Ganz wesentlich für Dein Konzept sind natürlich auch die »Superstars« – ein mehrere hundert Personen umfassendes Projekt-Tanzensemble, das in Deiner Inszenierung entscheidend mitwirkt. In dieser Größenordnung wurde das Stück vermutlich noch nie aufgeführt. Wie kam es zu dieser Idee?
Andreas Homoki: Dass unsere Inszenierung partizipativ sein sollte, war tatsächlich schon in der Aufgabenstellung der Komischen Oper Berlin vorgegeben. Nach dem MESSIAS in der vergangenen Spielzeit, bei dem ein riesiger Chor mit mehreren hundert Person mitspielte, sollte diese Idee nun mit einem Projekt-Tanzensemble fortgeführt werden. Das Regiekonzept eines inszenierten Rockkonzertes hätten wir uns wohl nie überlegt, ohne zu wissen, dass wir diese vielen Leute einsetzen können. Für mich ist es wunderbar, weil ich die Arbeit mit großen Menschengruppen liebe. In einer gut gebauten Massenszene im Theater gibt es im Kernbereich eine Soloszene und den Chor – die Menschen, die zuschauen, reagieren, Stellung beziehen, intervenieren. Es ist wie im antiken Drama: Der Chor reflektiert das Geschehen und verstärkt es. Eine dramatische Auseinandersetzung mit den Figuren ist immer stärker, wenn man sie mit einem Chor oder in unserem Fall einem tanzenden Kollektiv multiplizieren kann. Es ist ein unglaubliches Gemeinschaftserlebnis und es freut mich sehr, eine Inszenierung in diesem beeindruckenden Maßstab auf die Bühne zu bringen. Diese 350 Menschen bringen eine ungeheure Energie und Begeisterung mit, die uns alle ansteckt.
#KOBJesus
22. September 2025
John Arthur Greene meistert als Jesus von Nazareth die gewaltige Range der Rolle mit Sanftheit und Würde. Seinen Verzweiflungsschrei in »Gethsemane« (hohes G) liefert er so lyrisch, clean und kraftvoll, dass man den Ton als Einrichtungsgegenstand mit nach Hause nehmen könnte…
Die musikalisch-emotionale Spannung hält über die volle Länge der gut anderthalbstündigen Show. Das Publikum belohnt mit Füßetrommeln und Standing Ovations… ein hochwertiger Crowdpleaser
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Jesus, der hochwertige Crowdpleaser
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20. September 2025
Musikalisch eine umwerfend perfekte Produktion. Bewundernswert, was für einen fetten Sound das Tontechnikteam um Holger Schwark aus den Boxen zaubert... Unglaublich, was für eine Energie von der tanzenden, singenden, klatschenden Menge ausgeht... absolut mitreißend. Wie gerne würde man seine Beobachterposition aufgeben, um dazuzustoßen, Teil der Massenbewegung da unten zu werden...
Fantastische Stimmen bietet die Premierenbesetzung: Ilay Bal Arslan ist eine betörende Maria Magdalena, Sasha Di Capri reißt sich als Judas vokal förmlich die Brust auf, John Arthur Greenes Jesus schickt hymnische Töne in himmlische Höhen. Und Jörn-Felix Alt holt das Maximum heraus aus dem Abräumer-Auftritt des Herodes.
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Frederik Hanssen, Der Tagesspiegel
Saisoneröffnung der Komischen Oper mit »Jesus Christ Superstar«: Der Broadway liegt ab sofort in Tempelhof
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20. September 2025
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19. September 2025
Hier stimmt alles. Regie. Bühnenbild. Licht. Das Orchester unter Koen Schoots. Vor allem aber die Sänger… Eigentlich ist dieses Musical ein einziges Muss. Und ein großartiger Auftakt für die Komische Oper in die neue Spielzeit.
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17. September 2025
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Über die Vibes der 70er, menschliche Bibelcharaktere und eine herzergreifende »Bromance« in Jesus Christ Superstar
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Einführung
16. September 2025
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10. März 2025
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Wie überträgt man den britischen Dialekt von My fair Lady ins Deutsche? Andreas Homoki findet die Antwort im Berlinischen, das wie das Cockney des Londoner East End soziale Grenzen markiert. Seine Inszenierung zeigt, dass Sprache nicht nur verbindet, sondern auch ausschließt – und wie sich soziale Aufstiege und Machtverhältnisse allein durch die richtigen Worte formen. My fair Lady macht aus diesem Klassenkampf ums 'richtige Sprechen' eine heitere Persiflage. Überzeichnet stellt Andreas Homokis Inszenierung die Frage: Lässt sich der Klassenkampf mit dem richtigem Sprachgefühl beenden? Ein Gespräch über die subtile Gewalt der Sprache, über Dialekt als soziales Stigma und darüber, warum der feine Stil der Oberschicht nichts wert ist, wenn man ihn mit den „falschen“ Worten trägt.
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