Der »Zigeuner«baron

Johann Strauss
Operette in drei Akten [1885]
Text von Ignaz Schnitzer
nach der Novelle Saffi von Mór Jókai
Dialogfassung von Tobias Kratzer

Deutsch
1 h 40 min, keine Pause
Für diese Produktion sind vergünstigte, sichteingeschränkte Karten erhältlich, die nicht über den Webshop verkauft werden. Bitte wenden Sie sich hierfür an den Telefonservice oder die Opernkasse.

30 min vor jeder Vorstellung findet eine Stückeinführung im Foyer statt (außer vor Premieren, Kinderopern, konzertanten Aufführungen, Silvester- und Sonderveranstaltungen)

Der »Zigeuner«baron – Schon der Titel von Johann Strauss’ Operette bietet ausreichend Anlass für kontrovers geführte Debatten. Dabei reichen die Meinungen von einer strikten Tilgung des als diffamierend empfundenen Begriffs »Zigeuner« als einziger möglicher Umgang mit diesem bis hin zu emotionalen Verteidigungen à la »Mein Zigeunerschnitzel wollen sie mir auch noch nehmen!?«

Allerdings ist die Handlung der Operette wesentlich vielschichtiger, ihre Charaktere nicht so eindimensional, wie es uns traditionelle Inszenierungsmuster glauben machen wollen:

Ein mittelloser, junger Emigrant, der in seine Heimat zurückkehrt und den elterlichen Besitz nur mehr als Ruine vorfindet; ein großtuerischer, reicher Schweinezüchter, der sich eben dieses Besitzes bemächtigt hat; ein Adliger, der sich als konservativer Sittenwächter geriert und sich dabei auf »die gute alte Zeit« beruft, und eine von der Gemeinschaft ausgeschlossene Minderheit, die von der privilegierten Schicht kollektiv als »Zigeuner« bezeichnet wird – es ist eine explosive Mischung, die Ignaz Schnitzer in seinem Libretto zum »Zigeuner«baron vereint. Und das nicht aus Zufall: Als Reflexion des österreichisch-ungarischen Ausgleichs von 1867 geschrieben, thematisierte die Operette zu ihrer Entstehungszeit in unterhaltsam spielerischer Form das Selbstverständnis und den Selbstfindungsprozess des k. u. k. Vielvölkerstaates.

Ungewöhnlich lange komponierte Johann Strauss an seinem »Zigeuner«baron. Dass für die Uraufführung des Werkes zeitweise die Wiener Hofoper im Gespräch war, merkt man der Operette an, die sich im musikalischen Gestus und in den groß angelegten Finali immer wieder der Oper annähert. Neben der Fledermaus und Eine Nacht in Venedig zählt Der »Zigeuner«baron zu Strauss’ populärsten Operetten. Mit ihrer meisterhaften Vermischung von Wiener und ungarischen Klängen gehört die Partitur zum Besten aus der Feder des Walzerkönigs.

Dieses Meisterwerk wegen seines problematischen Titels einfach von den Spielplänen zu verbannen, hieße, sich einer Auseinandersetzung mit den darin verhandelten gesellschaftlichen Konflikten zu entziehen. Mit der ihm eigenen Akribie und seiner stets humorvollen Sicht auf das allzu Menschliche stellt sich Regisseur Tobias Kratzer dem durch das Stück aufgeworfenen Diskurs. Indem er den nostalgisch in der »guten alten Zeit« und ihrer Ordnung hängengebliebenen, durchaus nicht unsympathischen adligen Grafen Homonay zum Ausgangspunkt seiner Inszenierung macht, stellt er den Konflikt zwischen konservativen und liberalen Tendenzen in einer multikulturellen Gesellschaft zur Diskussion und führt gleichzeitig darüber hinaus. Denn letztlich erzählen Handlung und Musik der Operette ja weniger von Auseinandersetzungen über die richtigen Begrifflichkeiten, sondern viel allgemeiner von brennenden Themen wie Ausgrenzung und Integration, von Heimatlosigkeit und Entwurzelung und dem Auffinden einer neuen Heimat oder von der seit jeher auf fatale Weise funktionierenden einheitsstiftenden Wirkung, die der Feldzug gegen einen gemeinsamen Feind erzeugt.

Die derzeitig geltenden Regeln für das Spiel auf der Bühne nimmt Tobias Kratzer als Anlass für eine gemeinsam mit Dirigent Stefan Soltesz erarbeitete schlanke Fassung des Werkes, die auf oberflächliche Milieuschilderungen verzichtet und sich in knapp zwei pausenlosen Stunden ganz auf die Protagonist*innen und die zwischen ihnen verhandelten Konflikte konzentriert.

Im Repertoire seit 06.06.2021



Zur Verwendung des Begriffes »Zigeuner« im »Zigeuner«baron

Der Begriff »Zigeuner« weist, nicht zuletzt aufgrund seiner Verwendung im Nationalsozialismus, rassistische und stigmatisierende Konnotationen auf und sollte im heutigen Sprachgebrauch berechtigterweise nicht mehr ohne Einordnung oder Kommentar erscheinen.

Das Libretto der Operette Der »Zigeuner«baron von Johann Strauss Sohn aus dem Jahr 1885 verwendet den Begriff in zeittypischer Manier teils als Selbstbezeichnung einer Volksgruppe, teils abwertend, teils als wertneutrale Beschreibung.

Die Komische Oper Berlin hat sich dazu entschieden, die Gesangstexte des Werkes unverändert zu belassen, perspektiviert die Geschehnisse in einer aus dem Originalmaterial montierten Textfassung aber aus der Warte des k.u.k.-Offiziers Graf Homonay, über dessen Weltsicht die Geschichte – zum Glück! – genauso hinweggegangen ist wie über die Begrifflichkeit des Librettos.

Das Werk strebt, im Original wie in der Lesart des Regisseurs Tobias Kratzer, keine an historischer Authentizität orientierte Auseinandersetzung mit der Geschichte der Roma in der k.u.k.-Monarchie an. Es verhandelt vielmehr die fiktionale Geschichte des lange im Exil lebenden Ungarn Sándor Barinkay, der seinen neuen Platz in der alten Heimat erst noch finden muss und dabei keinerlei Vorbehalte mitbringt – auch und gerade nicht jener von der herrschenden Schicht marginalisierten Gruppe gegenüber, die dem Stück seinen Titel gibt.
Die Solisten, vor allem Thomas Blondelle und Mirka Wagner spielen und singen mit Verve und Witz … schließlich fetzt die Musik, sie ist wunderschön und hier auch wunderschön gesungen.
BR-KLASSIK
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Mit Johann Strauß zu den Waffen: Für die alte Ordnung und das Z-Schnitzel!

» ... überhaupt die ganze Szenerie hat eine beeindruckende, verzweifelte Kraft, und hier schon muss man dem Dirigenten Stefan Soltesz ein großes Lob aussprechen für die wirklich dekonstruierende Hellsicht seiner Interpretation ... Philipp Meierhöfer singt ... mit ungemein plastischem Klangbewusstsein und dennoch vorteilhaft zur Geltung gebrachtem Timbre. Auch Helene Schneiderman verband als Erzieherin Mirabella in ihrem Kriegslied schönen Klang und eine von Angst gefurchte Gestaltung zu fast songhafter Wirkung Überhaupt wird an der Komischen Oper immer schöner gesungen: Mirka Wagner als Saffi singt ihr „Zigeuner“lied mit fulminant üppiger Höhe, Alma Sadé setzt als Arsena ihre Zickigkeit nadelspitz dagegen.«
Berliner Zeitung
Peter Uehling, 8.6.2021

Borstenvieh und Gänsefüßchen

»Kratzer hat erkannt, dass es sich um die musikalisch heterogenste Operette von Strauss handelt. Um der wilden Mischung aus opernhaften, dadaistisch-komischen und intim-chansonhaften Nummern gerecht zu werden, mixt er derbe Klamotte und reflektierende Verfremdungsmomente.«
Süddeutsche Zeitung
Julia Spinola, 8.6.2021

Es war einmal in Kakanien

» … Mirka Wagner findet für die Saffi besonders in den leisen Passagen warm leuchtende Soprantöne, Julian Habermann ist ein Ottokar mit süßem Jünglingstimbre … «
Der Tagesspiegel
Frederik Hanssen, 08.06.2021


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